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“Einfach vergessen, wie es gerade draußen ist”

“In einer Loge”, sagt Jan Bülow nach kurzem Nachdenken auf die Frage, wo er das Interview machen möchte. In einer Loge ist er nämlich noch gar nicht gesessen, seit er hier am Burgtheater arbeitet. Dann stapft er die Stiegen hinauf, öffnet sämtliche Logentüren, klettert noch ein Stockwerk höher, steckt da und dort den Kopf hinein, bis er eine gefunden hat, die ihm gefällt, mit guter Sicht auf die Bühne. Die Proben zu RICHARD II. mit Jan Bülow in der Titelrolle laufen auf Hochtouren. Während im Frühjahr 2020 zur Eindämmung des Coronavirus neben dem Vorstellungsbetrieb auch der Probenbetrieb wochenlang ausgesetzt war, darf im November an den Theatern mit einer hohen Corona-Test-Frequenz unter strengen Sicherheitsauflagen trotz Lockdown weiter gearbeitet werden. Jan Bülow macht es sich in der Loge bequem, den Mund-Nasen-Schutz zieht er übers Handgelenk.

 

© Burgtheater
Ich mache eben, was ich kann. Ich fühle mich eigentlich nicht besonders virtuos.

Es ist schon der zweite Lockdown, den Jan Bülow in seinem gerade 14 Monate langen Burgtheaterengagement erlebt. “Ehrlich gesagt, habe ich diese Pause dankend angenommen”, sagt Bülow über die merkwürdigen Tage im März 2020. “Bei mir ging ja alles sehr schnell.” Als “Newcomer der Stunde” bezeichnen ihn die Feuilletons: Urplötzlich hat der 1996 geborene Berliner seine steile Karriere gestartet. Mit nur 22 Jahren wird er von der Schauspielschule weg ans Schauspielhaus Zürich engagiert, wo er als Hamlet gefeiert wird. Das Deutsche Theater und die Schaubühne Berlin, Kinofilme wie "Abgeschnitten" oder "Radio Heimat" und die Netflix-Serie "Dogs of Berlin" sind weitere Stationen im Leben des 24-jährigen Schauspielers. Im Kinofilm “Lindenberg! Mach dein Ding” verkörpert er Anfang diesen Jahres den Pop- und Rockstar Udo Lindenberg und erhält dafür den bayerischen Filmpreis als bester Nachwuchsdarsteller und ist als beste männliche Hauptrolle für den Deutschen Filmpreis nominiert. “Ich bin sehr dankbar für diese Zeit, es war großartig”, sagt Bülow. “Aber es war auch sehr anstrengend.” 

Dankbar ist ein Wort das Bülow oft verwendet, wenn er über seine Karriere spricht. Dankbar, dass der Jugendtraum, Schauspieler zu werden, so rasch in Erfüllung ging. Dankbar über die Gelegenheit in der Jugendgruppe am Deutschen Theater spielen zu dürfen. Dankbar an der Schauspielschule Ernst Busch studiert zu haben. Und dankbar, die erzwungene Pause im vergangenen Frühjahr mit seiner Familie nutzen zu können: “Wir haben viel miteinander gekocht, mein Bruder, meine Mutter und ich. Und miteinander gegessen”. Für einen Moment hängt Jan Bülow den Erinnerungen nach, die erzwungene Auszeit, die turbulenten Jahre davor. Dann lacht er “Ich komm aus gar keiner Schauspielfamilie. Mein Papa ist ja nicht mal ein Theatergänger! Meine Mutter, die ging schon ab und zu ins Theater. Aber jetzt kommen sie schon gucken was ich mache”. Bülow grinst: “Mein Bruder studiert jetzt auch Schauspiel. Vielleicht ist das so ein Ding, was unsere Generation da angefangen hat?”

 

Ob ihm, Jan, das Schauspieltalent in die Wiege gelegt wurde? Er zieht an seinem Pullover, fährt sich durchs Haar. “Es ist komisch, wenn man über Talent spricht”, sagt Bülow. “Es fühlt sich so an, dass ich eben mache, was ich kann. Ich fühle mich nicht besonders virtuos oder so”. Er lacht. “Ich geh halt jeden Tag hin und mach das. Ich könnte nicht sagen, warum man mir diese Rolle gegeben hat.” 

Überdurchschnittlich oft findet er Theaterinszenierungen gar nicht so gut, auch er selbst habe schon oft in Produktionen mitgewirkt, die langweilig waren. Das ist eben das, was Theater ausmacht, erzählt er, und was Theater vom Film unterscheidet. Im Theater gibt es kein ok. Entweder es ist enttäuschend, oder aber es packt ihn so sehr, dass er es genial findet und “dann weiß man wieder warum man's macht”. Und vor allem, sagt Jan Bülow, das Gefühl dieser großen Begeisterung, das kommt auch verlässlich immer wieder. “Es ist wahnsinnig anstrengend auf der Bühne zu stehen, man hadert immer wieder und fragt sich ob man jetzt nicht komplett bescheuert ist. Aber dann kommt wieder der Moment, wenn man im Saal sitzt und der voll ist, alle sich unterhalten und die Lichter ausgehen und die Scheinwerfer auf der Bühne angehen…”

 

Am theater gibt es kein Halb-gut. Entweder es ist gut, dann packt es mich. Oder es ist langweilig.

“Halb-gut”, sagt Jan, das gibt es für ihn am Theater eben nicht. Für die Kategorie “schöne Momente”, da ist in seinen Augen eher beim Film oder beim Fernsehen der richtige Platz. Für ihn als Schauspieler hat dennoch beides seinen Reiz, es sind ja auch ganz unterschiedliche Spielweisen. Der größte Luxus als Schauspieler ist, dass man beides machen kann. "Gleichzeitig glaube ich sehr an die Theaterschule. Die größten Schauspieler kommen ja vom Theater!", sagt Bülow. Er lacht. “Ich werde das Theater immer lieben. Das Theater will ich nie ganz aufgeben”. Er lacht wieder.  “Das ist natürlich keine gute Bewerbung fürs Filmgeschäft”.

Die Arbeit mit dem Burgtheater-Ensemble schätzt Bülow sehr, gerade jetzt bei den Proben zu RICHARD II. “Man spielt eine Szene mit jemandem, der vielleicht viermal so alt ist wie man selbst, und ist trotzdem ebenbürtig und sofort auf einer Wellenlänge”.

Dass auch die Theater während der Pandemie einen Beitrag zur Eindämmung leisten müssen, das kann Jan Bülow sehr gut verstehen. “Theater ist eben auch ein Luxusprodukt. Die ganze Logistik, der Aufwand, wenn Menschen anreisen, um andere Menschen auf der Bühne zu sehen." Und er fügt nachdenklich hinzu: “Und es ist auch ein Luxus sich eine Karte zu kaufen, sich in einer dunklen Ecke zu verstecken und einfach mal drei Stunden abzutauchen.” 

Jan Bülow liebt das Theater. Aber er hat auch noch andere Pläne. Was zum Beispiel? “Steuererklärung”, lacht er und schüttelt sich. “Ich fang ja erst grade an, mich in dem Leben der Erwachsenen einzufinden…”

(aa)

Jan Bülow
Jan Bülow
© Katarina Šoškić

Jan Bülow, 1996 in Berlin geboren, studierte an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Mit der Saison 2019/20 wechselte er aus dem Ensemble des Schauspielhaus Zürich in das Ensemble des Burgtheaters. In seiner ersten Spielzeit war er in Wajdi Mouawad VÖGEL (Regie: Itay Tiran) im Akademietheater und in DIE EDDA von Thorleifur Orn Arnarsson und Mikael Torfason (Regie: Thorleifur Orn Arnarsson) am Burgtheater zu sehen. Zurzeit laufen die Proben für RICHARD II. von William Shakespeare (Regie: Johan Simons). Als König Richard steht Jan Bülow an der Seite von Bardo Böhlefeld, Sarah Viktoria Frick, Lukas Haas, Sabine Haupt, Stacyian Jackson, Felix Kammerer, Oliver Nägele, Falk Rockstroh, Martin Schwab und Johannes Zirner auf der Bühne.

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