This area has not be optimized for screenreaders or keyboard navigation. The area presents excerpts from the schedule. The full schedule can be reached via the main navigation or the neighboring link.

Wie betreibt man ein Theater im Krieg?

Am 24. Februar jährte sich der Angriff Russlands auf die Ukraine zum ersten Mal, ein weiterer Jahrestag steht in diesen Tagen an: Anfang März 2022 hätte in Kyjiw ein neues Theater eröffnen sollen, das sich der zeitgenössischen ukrainischen Dramatik widmen sollte, das AUTOR*INNENTHEATR KYJIW – ein Kollektiv, zu dem auch Julia Gonchar gehört. Zu der lange geplanten Eröffnung kam es nicht, die Künstler*innen mussten fliehen, der Theaterindentant Maksym Kurochkin kämpfte kurz darauf an der Front. Das Burgtheater ist seitdem mit ihm und den ukrainischen Künstler*innen in Kontakt und bot ihnen für ihre Arbeit im wahrsten Wortsinn bereits zweimal eine Bühne in Wien. 

Am vergangenen Freitag trafen wir Julia Gonchar und Maksym Kurochkin online bei einem Instagram-Talk, um sie nach der aktuellen Situation in Kyjiw zu befragen. Nach dem Gespräch las Peter Simonischek einen Text des ukrainischen Autors Andrij Bondarenko, ebenfalls Mitglied des Künstler*innen-Kollektivs.
Wir haben die Lesung für Sie aufgezeichnet:
Einen Auszug aus dem Gespräch finden Sie weiter unten.  

Peter Simonischek liest Andrij Bondarenko - Im Rahmen von AUTORINNENTHEATER KYJIW / WIEN
Kriege sind eigentlich nicht die Zeiten von Gründungen? Wie ist es euch gelungen, im Krieg ein Theater zu eröffnen?


Zu Beginn waren wir natürlich alle verloren. Die Gemeinschaft rund um das Autor*innentheater hatten wir schon ein Jahr zuvor aufgebaut, diese Gemeinschaft hat uns sehr geholfen. Wir, die Autor*innen des Theaters, hatten eine Chatgruppe auf Facebook, in der wir uns mit ganz praktischen Dingen unterstützen konnten, als die massive Offensive Russlands begonnen hat. Wie zum Beispiel, wo man Wasser oder Strom finden kann, oder wo der nächste Keller ist, in dem man sich verstecken kann, in welchen Kellern Hunde zugelassen sind oder wo man Futter für die Katzen bekommen kann. Also so ganz menschliche, ganz alltägliche Sachen, die alle für uns in den ersten Kriegstagen nicht mehr selbstverständlich waren.
Wir haben uns aber auch vernetzt und geholfen, Residenzen zu finden. Natalka hat dann geschrieben: „Lass uns jetzt auch was machen! Natürlich ist es nicht die beste Zeit um Texte zu schreiben, aber wir müssen diese Wut, diese Energie irgendwie auch ausdrücken können!” Deswegen haben wir uns entschieden, diese Texte zu schreiben, die dann auch am Burgtheater uraufgeführt wurden.

Das war der Zeitpunkt als wir dachten: Ok, wir sind jetzt nicht nur berechtigt zu kämpfen oder zu fliehen, sondern auch zu reflektieren. Wir brauchten das auch sehr. Unser Theater ist also zu einer Plattform geworden. Und wir sehen jetzt, wie viele Menschen, wie viele Ukrainer*innen, Theater und Kunst im Allgemeinen wirklich brauchen.
Wie betreibt man ein Theater im Krieg? Es gibt ja wahnsinnig viele alltägliche Probleme mit denen ihr euch auseinandersetzen müsst: Ausgangssperren, die Infrastruktur, die Energieversorgung.

Es hat sich einiges verbessert im Vergleich zu den vorigen Monaten. Wir haben jetzt Generatoren, wir sind jetzt gut vernetzt mit internationalen Partnern. Und wir spüren die Unterstützung von unterschiedlichen Länder rund um die Welt. Das gibt uns auch die Hoffnung und diese Energie weiter zu machen. Maksym, unser Intendant, macht eine riesige Arbeit. Nicht nur als künstlerischer Leiter, er repariert auch kaputte Türen oder Toiletten.
Und künstlerisch? Wie sieht euer Programm aus?

Im Moment haben wir viele Lesungen im Theater, weil sie günstiger sind und einfacher zu produzieren. Wir haben nicht so viel Geld, dass wir uns eine riesige Produktion leisten können, aber wir können die Honorare der Schauspieler*innen bezahlen, was für uns schon ein großer Schritt ist. Wir sind alle sehr stolz drauf. Dazu gibt es aber auch einige andere Projekte, zum Beispiel mit Partner*innen aus Leipzig, aus dem Fonds Darstellende Künste Deutschland. Jetzt sind wir gerade in der Phase der Textentwicklung. Wir haben eine Residenz in den Karpaten für zehn Tage und fahren dann zu den Proben nach Leipzig, wo auch die Premiere stattfinden wird. Wir haben auch eine monatliche Lesereihe in Leipzig. Auch in Berlin, in Großbritannien und den USA, werden die Sammlungen ausgegeben, auch von unseren Autorinnen.
Wie hat sich das Schreiben verändert hat, in diesem Jahr, auf das wir jetzt zurückschauen?

Ich sehe die Kunst und mein eigenes Schreiben als eine Art Waffe, mit der ich ein bisschen was ändern kann. Ich kann damit eine Bühne schaffen und die Aufmerksamkeit auf die Probleme in unserer Lage ziehen. Ich glaube, den anderen Autor*innen geht es genauso. Natürlich hat sich unser Schreiben sehr verändert, weil wir so verstreut sind. Einige sind zum Beispiel am Theater in Basel, wie Natalka Vorozhbyt. Andere Kolleg*innen sind jetzt in Heidelberg, oder in Stuttgart, in Mannheim, Finnland und in Polen. Wir sind so weit verbreitet wie Pilze. Dementsprechend verändert sich auch unser Schreiben.
Back to top