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Welche Geschichte erzählt unser Spielzeug? 

Was erzählt unser Spielzeug über uns? Was erzählt unser Umgang mit Spielzeug über unseren Umgang mit Menschen? Wie begegnen wir denjenigen, die anders sind als wir? Was bedeutet Besitz?

„Als Dingmärchen wird die Gruppe von Märchen bezeichnet, in denen Andersen neben Zinnsoldaten, Nussknackern und Griffeln auch Stopfnadeln, Teekannen, Kragen oder Flaschenhälse zum Sprechen bringt, um uns mit ihren erstaunlichen Abenteuern, Gebrechen und Eitelkeiten zu konfrontieren. Man kann diese Märchen wohl als Reaktion auf die rasant anwachsende Warenwelt interpretieren, welche in den Wohnzimmern des zeitgenössischen Kopenhagens Einzug hielt.

Viele der Dingmärchen Andersens thematisieren den rasanten Verfall von Gegenständen, die aus der behüteten Welt des bürgerlichen Interieurs herausfallen und den Leser in die verborgenen Räume der Städte – den Rinnstein, die Kanalisation, den Müllhaufen, die Verbrennungsöfen oder Schmelztiegel – führen. Mit dem Verfall der Gegenstände zu Müll wird indirekt auch ihr Status als Waren thematisiert. Das heißt, die Texte lassen sich auf eine Reflexion über die schillernde Verführungskraft von Gegenständen ein, deren Wert sich nicht mehr alleine über ihren Gebrauchswert definiert und entsprechend schnell verfallen kann. Die Verführungskraft der Waren wird in den Märchen in Beziehungsgeschichten zwischen den Dingen gespiegelt.“

Klaus Müller-Wille: Collagen, Wortdinge und stumme Bücher. Hans Christian Andersens (inter)materielle Poetik. In: Thomas Strässle, Christoph Kleinschmidt,Johanne Mohs (Hg.): Das Zusammenspiel der Materialien in den Künsten.Theorien – Praktiken – Perspektiven. Transcript Verlag: Bielefeld 2013

 

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Die Tänzerin: Stell dir vor, die Köchin würde uns in eine Kiste legen und an ihren Bruder schicken, und der Bruder der Köchin wäre ein Schriftsteller. 

Der Soldat: Ausgerechnet. Und dann?

Die Tänzerin: Dann würde der Schriftsteller uns auf seinen Schreibtisch stellen und unsere Geschichte aufschreiben. 

Der Soldat: Aber was passiert, wenn der Schriftsteller einen von uns nicht mag. 

Die Tänzerin: Was?

Der Soldat: Wenn der nur die Geschichte von einem von uns beiden aufschreiben würde – 

Die Tänzerin: Wie – 

Der Soldat: Wenn der zum Beispiel nur deine Geschichte aufschreiben würde. 

Die Tänzerin: Oder nur deine.

Der Soldat: Ja – was, wenn der sich für dich zum Beispiel überhaupt nicht interessiert, weil du für ihn einfach nur eine Papiertänzerin bist, die keine Abenteuer erlebt.

Die Tänzerin: Aber so war es ja gar nicht!

 

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„Schimmelpfennig ist es gelungen, eine ganz eigene Sprache zu finden. Eine Sprache, die Räume und Atmosphären entstehen lässt und dem Märchen einen neuen Zugang gibt: Sie nimmt uns an die Hand, die Geschichte von Andersen neu zu entdecken. Schimmelpfennigs Sprache eröffnet Assoziationen, die uns im Hier und Jetzt ankommen lassen. Im Gegensatz zum Original ist bei Schimmelpfennig die Geschichte zwischen beiden Figuren deutlicher gezeichnet: er verdichtet die beiden Schicksale miteinander.
Ich denke, Märchen sind sehr wichtig um einen eigenen Moral Begriff zu überprüfen und zu erweitern. Gleichzeitig sind sie Futter für die eigene Phantasie und Gedankenwelt. Sie lassen uns eintauchen in Welten, die außerhalb unserer Vorstellungen sind. Kinder können sich mit den Figuren klar identifizieren und mit ihnen auf eine Reise gehen. Allerdings sollten nicht ausschließlich Märchen erzählt werden, da sie doch oft mit veralteten Rollenklischees arbeiten. Schimmelpfennig spielt in seiner Fassung von Andersens Märchen mit diesen Klischees und lässt alles durcheinander wirbeln, er durchbricht sie. Ich denke, genau das ist von großer Bedeutung: in Kindergeschichten ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie bunt unser Zusammenleben wirklich ist.“

Mia Constantine

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Der Zinnsoldat und die Papiertänzerin

Vestibül
Roland Schimmelpfennig
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