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Porträtiert: Wajdi Mouawad

Als 2017 Frankreich Gastland bei der Frankfurter Buchmesse ist, möchte man die frankophone Welt in den Fokus rücken. Schriftsteller aus der Schweiz, Belgien und Luxemburg, aus Afrika und Asien, aus dem Maghreb und aus Kanada sind vertreten. Die literarische Eröffnungsrede hält Wajdi Mouawad, im Libanon 1968 geboren, nach Frankreich als knapp 8-Jähriger mit der Familie vor dem Bürgerkrieg geflohen, nach Kanada kaum 15-jährig weitergezogen  weil der Familie in Frankreich das Bleiberecht verweigert wurde.

“Mit dem Krieg und dem Exil war das Bedürfnis zu sprechen dringend geworden”, erzählte Wajdi Mouawad in einem Interview mit der französischen Zeitung La Croix. Als Absolvent der National Theatre School of Canada leitet er schon 1991 seine erste Kompanie, das Théâtre Ô Parleur. Inspiriert von seiner eigenen Geschichte veröffentlicht er 1997 LITTORAL, ein Stück über Erinnerung und Vergangenheit und begeistert damit Kritik wie Öffentlichkeit. Weitere Stücke folgen, 2000 wird Mouawad Künstlerischer Leiter des Théâtre de Quat’sous in Montreal, 2005 gründet er eine kanadische und eine französische Theatergruppe.  

Szenenfoto Vögel
© Matthias Horn
Mit dem Krieg und dem Exil war das Bedürfnis zu sprechen dringend geworden.

“Ich wollte einen Schrei ausdrücken, ich wollte Ängste austreiben, ich wollte vermitteln, was unsere Eltern nicht ausdrücken konnten; Ich wollte, dass es trifft; symbolisch wollte ich angreifen: ich wollte Bomben in die Köpfe der Menschen werfen; Diese Bombe war die Erzählung und die Emotion, die sie übertrug”, so Mouawad zu La Croix. 

Als 2006 zum ersten Mal eines seiner Stücke auf einer deutschsprachigen Bühne zu sehen ist, ist er als Dramatiker bereits etabliert. VERBRENNUNGEN feierte 2006 am Staatstheater Nürnberg Premiere und m Jahr darauf am Akademietheater seine Österreichische Erstaufführung. Mouawad erzählt mit "Verbrennungen" eine Familiensaga vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs im Libanon, Regie in Wien führte Stefan Bachmann.  

Wajdi Mouawads wird 2007 Künstlerischer Leiter des Französischen Theaters Ottawa benannt, bald darauf wird er zum “officer of the order of canada” ernannt, die höchste Auszeichnung für Zivilpersonen in Kanada für außerordentliche Leistungen für ihr Land.

Mouawads beruflicher Weg führt ihn schließlich wieder nach Frankreich, er ist Artiste Invité am Festival d’Avignon und am Le Grand T in Nantes und übernimmt 2016 die Leitung des Théâtre national de la Colline in Paris. Dort findet 2017 die Uraufführung seines Stückes “TOUS DES OISEAUX” (VÖGEL) statt. Mouawad schreibt es mehrsprachig: Arabisch, Deutsch, Englisch und Hebräisch wird auf der Bühne gesprochen. Französisch nicht.

Vögel - Trailer
© Markus Lubej

Im selben Jahr, 2017, ist Wajdi Mouawad eingeladen die literarische Eröffnungsrede auf der Frankfruter Buchmesse zu halten, nachdem Emmanuel Macron und Angela Merkel mit viel beachteten Worten die Frankfurter Buchmesse als politische Vertreter eröffnet hatten. Wajdi Mouawad, eingeladen als Vertreter der Frankophonie, beginnt seine Rede auf Arabisch. Denn: "Zu Ihnen spricht kein Franzose auf Französisch", sagt Mouawad in dieser Rede, "sondern ein Araber, für den Französisch eine Gastsprache ist, eine Sprache wie ein Hintertürchen, wenn alles verloren ist. Fluchtsprache." Und er fährt fort: 

Meine Muttersprache ist im Aussterben begriffen, ich beherberge sie wie wilde Tiere, deren Verschwinden ich zähle. Hinter jedem Wort steht ein Warum. Auf dieses Warum immer dieselbe Antwort. Bürgerkrieg im Libanon, Exil der Eltern. Das Kind verliert seine Muttersprache

"Ich hätte gern länger in der Sprache meiner Mutter zu Ihnen gesprochen. Aber sie ist zu gebrochen, ist zersplittert zwischen meinen Zähnen. Meine Muttersprache ist im Aussterben begriffen, ich beherberge sie wie wilde Tiere, deren Verschwinden ich zähle. Hinter jedem Wort steht ein Warum. Auf dieses Warum immer dieselbe Antwort. Bürgerkrieg im Libanon, Exil der Eltern. Das Kind verliert seine Muttersprache, weiß nicht, dass es sie verliert, wenn es sie verliert, und als Erwachsener, fernab seiner heimatlichen Ufer, bleibt nur der Blutgeschmack im Mund zurück. Von seiner verlorenen Sprache."

Wajdi Mouawad, dessen VÖGEL die Spielzeit 2019/20 im Akademietheater eröffnete, wird im Anschluss an die Vorstellung am 25.02. mit dem Regisseur des Stücks, Itay Tiran, für ein Publikumsgespräch zu Verfügung stehen. 

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