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„Wir können den Eltern nicht immer vertrauen“

Evan Placey

Auszug aus der Einführung zu "Girls Like That" und "Other Plays for Teenagers" von Evan Placey , Nick Hern Books, 2015

Vor einigen Jahren war ich am Silvesterabend in der South Bank in London und schaute mir das Feuerwerk an. Um Mitternacht küssten sich mein Freund und ich – genauso wie die anderen Paare um uns. Und dann sagte eine Frau in der Nähe mit ihren zwei Kindern ruhig zu uns: „Es sind Kinder in der Nähe.“ Ich habe nichts gesagt. Auf Beschimpfung oder Aggression hätte ich reagiert. Aber dass sie ihre Kinder vor unserem Anblick schützen wollte machte mich stumm.

Ich habe mir diesen Moment seither oft in Erinnerung gerufen. Diese Frau ist einer der Gründe, warum ich Theaterstücke für junge Leute schreibe. Oder genauer gesagt, ihre Kinder sind der Grund. Ich denke oft an sie und hoffe, dass sie irgendwann in einem meiner Stücke sitzen. Weil der Vorfall mir klarmachte, warum wir Theater für junges Publikum brauchen.

Die meisten Erwachsenen haben sich für die Welt, in der sie leben, entschieden oder sich zumindest mit ihr abgefunden. Junge Leute hinterfragen diese Welt und versuchen, sich ihre eigene Meinung zu bilden. Aber – und das sage ich selbst als Elternteil – wir können nicht immer darauf vertrauen, dass Eltern diese Fragen fördern und ihre Kinder ermutigen, die Welt auf eine neue Weise zu sehen. Wir brauchen Theaterstücke für junge Leute, um die Fragen zu stellen, die sonst niemand stellt, um ihnen auch das zu zeigen, wovor ihre Eltern sie schützen wollen.

Ich schreibe über das, worüber ich Bescheid weiß: Ich kenne das Gefühl, nicht dazu zu passen, ich weiß über Herzschmerz Bescheid und darüber, wie es sich anfühlt, den Erwartungen der Familie nicht gerecht zu werden und Freunde zu verlieren, ich kenne Machtlosigkeit und Gruppenzwang, ich kenne Bedauern und Verlust und Lust und Liebe. Ich weiß, was es heißt, der Außenseiter zu sein.

Und ich war auch einmal ein Teenager. Natürlich sind unsere Erlebnisse in diesen prägenden Jahren individuell und einzigartig, aber genau betrachtet haben wir alle die gleiche Erfahrung gemacht, die Jugendliche immer wieder durchleben werden: eine Reihe von Momenten, Wahlmöglichkeiten und Entscheidungen sind Anfang der Suche nach uns selbst, der Beginn, jene Person zu formen, die wir sein wollen. (Und Spoiler für junge Leser*innen: Es ist wirklich nur der Anfang. Du versuchst immer wieder herauszufinden, wer du sein möchtest. Ich versuche es mit Sicherheit immer noch.)

Ich habe mich immer wie ein Fremder gefühlt. Als Einwanderer, als schwuler Mann, als Jude. Und ich denke, vielleicht fühlen wir uns alle als Fremde, wenn wir Teenager sind – gegenüber den Eltern und Freunden, die uns nicht verstehen, gegenüber unseren sich verändernden Körpern; und manchmal sind wir uns selbst fremd, wenn wir zu verstehen versuchen, warum wir die Dinge tun, die wir tun. Ein junger Mensch zu sein bedeutet, ein Fremder in einer Welt zu sein, die dich nie wirklich versteht.

Kunst kann und soll die Welt des Publikums reflektieren. Aber sie sollte einen Schritt weitergehen und gerade Kindern und Jugendlichen eine Welt zeigen, die sie nicht kennen, ihnen die Geschichten erzählen, die sie noch nicht gehört haben, und ihnen die Fragen stellen, an die sie davor nicht gedacht haben. 

Die Hauptfiguren in meinen Stücken sind immer junge Leute, aber darüber hinaus gibt es keinen Unterschied, wie ich für Jugendliche oder Erwachsene schreibe. Denn anders als diese Frau vor acht Jahren auf der South Bank zensiere ich die Welt für junge Leute nicht. Sie begegnen dieser Welt in ihrem täglichen Leben. Warum sollten sie ihr im Theater nicht begegnen? In meinen Stücken gibt es keine Moral oder Botschaft. Ich gebe auch keine Antworten. Ich habe sie nicht. Aber vielleicht können sie junge Menschen dazu anregen, nach Antworten zu suchen. Sie müssen sie finden. Es ist ihre Zukunft.

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