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Porträtiert: Milica Tomić

Anne Aschenbrenner

Mit einer Kalaschnikow in der einen Hand, einem weißen Plastiksackerl in der anderen spazierte Milica Tomić zwei Monate lang durch die belebten Straßen der Belgrader Innenstadt. Man könnte meinen, so etwas fällt auf, in diesen Herbsttagen des Jahres 2009. Das tut es aber nicht. Tomić & Kalaschnikow besuchen ungestört die Schauplätze des bewaffneten Aufstands gegen die Nazi-Besetzung während des Zweiten Weltkriegs. Ein Gewehr ist sichtbar - und irgendwie auch wieder nicht. Wie wäre das in Wien?

“One day” heißt die Dokumentation dieser Intervention, mit der Milica Tomić versucht, den antifaschistischen Kampf Jugoslawiens wieder ins Bewusstsein zu rufen und gleichzeitig sagt: Faschismus macht sich heute wieder breit: “Er ist in Gesetze und bürokratische Vorgänge eingebettet, wir bemerken ihn schwer”. "One Day", dessen Titel sich dem Gedichtfragment von dem jugoslawischer Partisanen und Schriftsteller Oskar Davičo entlehnt, gilt als eine der wichtigsten Arbeiten der serbischen Künstlerin. Neben Marina Abramović ist Milica Tomić eine der bekanntesten international erfolgreichen zeitgenössischen Künstlerinnen  Belgrads. Geboren wurde sie ebenda, 1960. Sie studiert Malerei an der Belgrader Kunstakademie. Heute stellt sie auf der ganzen Welt aus. Ihre  biografischen Stationen lesen sich wie die Bucket List eines Weltenbummlers: Neben Biennalen wie beispielsweise in Brasilien, Austrailen, den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei und Deutschland zeigte sie ihre Arbeit unter anderem auch in Salzburg, den USA und Belgrad. Seit 2014 ist sie Leiterin des Instituts für Zeitgenössische Kunst an der Technischen Universität Graz, davor unterrichtete sie Kunststudent*innen in Norwegen.

Milica Tomić
© Srdjan Veljović
Jede Arbeit hat einen politischen Aspekt. Ich kann gar nicht anders, als alles, was ich sehe, kritisch umzusetzen.

Milica Tomić

In Österreich gehört sie schon beinahe zum Inventar des steirischen herbst, so oft schon waren ihre Arbeiten seit 1997 dort zu sehen. Zuletzt, 2018, zeigte sie im Rahmen des steirischen herbst die Installation "Exhibiting on a Trowel’s Edge. Research and investigative processes of Aflenz Memorial in becoming" - ein riesiger Haufen Erde, die im ehemaligen Zwangsarbeiterlager im südsteirischen Aflenz an der Sulm ausgehoben wurde. Von 1944 bis 1945 arbeiteten dort Häftlinge aus Mauthausen gemeinsam mit regulären Fabrikarbeitern aus Graz. Sie errichteten Lager und bauten einen unterirdischen Steinbruch zur Produktionsstätte für die Steyr-Daimler-Puch AG, den wichtigsten österreichischen Waffenhersteller im Zweiten Weltkrieg, aus. Von den Lagerbarracken, die mittlerweile von unauffälligen Kornfeldern bedeckt sind, ist heute nichts mehr zu erkennen. In Anlehnung an eine „reflexive“ Archäologie suchte Tomić auch für diesen (Nicht-)Ort nach einer Gedenksprache jenseits der offiziellen Mahnmalästhetik. 

I am Milica Tomic
© Milica Tomic

Milica Tomić' Arbeit konzentriert sich darauf, Themen im Zusammenhang mit politischer und wirtschaftlicher Gewalt, Trauma und sozialer Amnesie zu erforschen, aufzudecken und in die öffentliche Debatte einzubringen. Als Antwort auf das Engagement für den sozialen Wandel und die daraus resultierenden neuen Formen der Kollektivität hat Tomić einen deutlichen Wandel von der individuellen zur kollektiven künstlerischen Praxis vollzogen. 2002 gründet sie Grupa Spomenik/Monument Group, die versucht den Kriegen und der Auflösung Jugoslawiens ein Denkmal zu schaffen und den Staat an seine Verantwortung für Kriege, Flüchtlinge, terrorisierte Zivilisten und den Völkermord an den Bürgern der Staaten, die sich von Jugoslawien abgespalten haben zu erinnern. So widmete sich Milica Tomić 2010 widmet auch dem interdisziplinären Projekt "Four Faces of Omarska", das auch in Begrad gezeigt wird: eine Arbeit, die sich jenem Ort widmet, an dem während des Bosnienkrieges Kriegsverbrechen verübt wurden. In einem Interview sagte Milica Tomić einmal: "Jede Arbeit hat einen politischen Aspekt. Ich kann gar nicht anders, als alles, was ich sehe, kritisch umzusetzen. Das Burgtheater hat die Künstlerin eingeladen, in ON LOVE AFTERWARDS ihre Arbeit im Dialog mit dem Publikum reflektieren. Die Kalaschnikow, wurde gebeten, soll aber nicht zum Einsatz kommen...

Europamaschine
Europamaschine
On Love Afterwards

Public montage von und mit Milica Tomić

02.02.2020, 19 Uhr, Kasino

ON LOVE AFTERWARDS ist Bestandteil einer Reihe von Kooperationsveranstaltungen, die das Burgtheater und die Kunsthalle Wien im Rahmen ihres jeweiligen Neustarts gemeinsam präsentieren. Die Kooperation wird fortgesetzt mit der zweitägigen internationalen Konferenz THE WHITE WEST III.
 

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