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Fokus Burgtheaterstudio: Toxisches Schweigen

Claudia Kaufmann-Freßner

„Und wir Mädchen sagen gar nichts. Weil wir würden ihr natürlich nie irgendwas ins Gesicht sagen. Weil das wär einfach ... zu krass. Das wäre total unhöflich.“

Ines Maria Winklhofer, Aila Franken, Pia Zimmermann, Katharina Rose, Nele Christoph
© Matthias Horn

Mit diesen Worten erklärt eines der Mädchen in Evan Placeys MÄDCHEN WIE DIE, warum die Vorbehalte gegen Scarlett, deren Nacktfoto im Netz kursiert, nicht ausgesprochen werden können; und wo der offene Konflikt denkunmöglich ist, bietet sich die anonyme, virtuelle Welt als umso geeigneterer Kriegsschauplatz an. Die Verpflichtung zur Höflichkeit, die Angst um den eigenen guten Ruf und zweierlei Maß, an denen Mädchen und Jungs im Hinblick auf erste sexuelle Erfahrungen gemessen werden – für Pubertierende noch schwer zu hinterfragende und beengende, starr tradierte Muster – führen zur stillen Kampfansage gegen Scarlett.

Faktencheck: Lärm im Netz

Mobbing in der Schule ist leider nichts Neues, doch Internet und Handy fügen der Folter neue Dimensionen hinzu. Studien zufolge waren zumindest 20-30 % aller Kinder und Jugendlichen schon einmal von Cybermobbing betroffen, jeder/jede 5. hält es für möglich, selbst zur Täter*in zu werden, denn wer nicht mitmacht, wird schnell selbst zum Opfer. 

 

Hier findest du Hilfe: 

www.zara.or.at/de/beratungsstellen/GegenHassimNetz

„Mädchen werden dazu erzogen, Beziehungen und Verbundenheit über alles andere zu stellen. Daher wird in Konfliktsituationen die Angst vor Isolation und Verlust übermächtig, und die Mädchen bemühen sich, jede direkte Konfrontation zu vermeiden. Unangenehme Gefühle werden aus den alltäglichen Beziehungen ausgeklammert; man verpackt sie sorgfältig und zeigt sie am besten überhaupt nicht“ schreibt die amerikanische Politikwissenschafterin und Frauenforscherin Rachel Simmons in ihrem Buch „Meine beste Feindin“: Mädchen haben immer noch nett zu sein, nett zu sein ist wichtiger als stark, klug, ja sogar ehrlich zu sein. Neid- und Konkurrenzgefühle müssen dabei ebenso verdrängt werden wie Aggressionen. Doch verdrängte Gefühle suchen sich andere Wege und die Verletzungen erfolgen nicht mit der Faust sondern subkutan. 
Zweifellos haben das Frauenbild, die rechtliche Situation und die Lebensumstände von Frauen seit Mitte des 19. Jahrhunderts massive Fortschritte erfahren. Aber wie wenig selbstverständlich und gefährdet die Rechte von Frauen sind, zeigen die aktuellen Geschehnisse in Afghanistan – vor diesem Hintergrund verbietet sich jeder Vergleich, doch wie schnell alte Rollenmuster wieder greifen können, zeigte der Lockdown. Die Frauen immer und immer noch zugeschriebenen und von ihnen erwarteten „soft skills“ – Fürsorge, Empathie, Harmoniebedürfnis, Aufopferungsbereitschaft und das Hintanstellen eigener Bedürfnisse – sind sympathisch und systemerhaltend, doch angeboren sind sie nicht. Ihre Kehrseite sind Konfliktunfähigkeit und das Unterdrücken sozial nicht erwünschter „negativer“ Gefühle: der Nährboden jener verborgenen Aggressionen, die in Placeys Stück aus „allerbesten Freundinnen“ Täterinnen machen, Gruppenzwang und Gruppendynamik inklusive. Doch erst „wenn wir uns darüber einig sind, dass nette Mädchen richtig wütend werden können und gute hin und wieder ziemlich böse sind, haben wir das soziale Brachland umgepflügt, das zwischen der „Netten“ und dem „Miststück“ liegt. Wenn wir ein brauchbares Vokabular finden, mit dem Mädchen die Wahrheit sagen können, werden mehr von ihnen ihre Stimme erheben. Sie werden ihre eigenen Fragen stellen und beantworten.“ (Rachel Simmons)

Claudia Kaufmann-Freßner

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