DIE SCHREIBSTUBE
Kontexte & Subtexte: Elfriede Jelineks Schreib- und Denkweise

"Was immer geschieht, nur die Sprache geht von mir weg, ich selbst, ich bleibe weg“, schrieb und sagte Elfriede Jelinek in ihrer Nobelpreisrede 2002, für die sie, gewissermaßen programmatisch, ganz sicher konsequent, nicht nach Stockholm reiste, sondern per Videoeinspielung anwesend und abwesend zugleich blieb. Auf der Drehbühne von Milo Raus Inszenierung von BURGTHEATER gibt es also einen bewohnten und zugleich unbehausten „locked room“. Vielleicht sitzt dort Elfriede Jelinek und gibt die Spielregeln vor, während sie doch fortwährend behauptet hat: Machen Sie mit dem Stück, was Sie wollen. Immer gilt, so Jelinek in Stockholm: „Die Sprache geht. Ich bleibe, aber weg. Nicht auf dem Weg. Und mir bleibt die Sprache weg.“
Elfriede Jelinek: ICH SCHLAGE SOZUSAGEN MIT DER AXT DREIN (1984)
Wenn ich Theaterstücke schreibe, dann bemühe ich mich nicht, psychologisch agierende Personen auf die Bühne zu stellen. Das soll, meine ich, dem Film vorbehalten bleiben. Ich vergrößere (oder reduziere) meine Figuren ins Übermenschliche, ich mache also Popanze aus ihnen, sie müssen ja auf einer Art Podest bestehen. Die Absurdität der theatralischen Situation – man betrachtet etwas auf einer Bühne! – verlangt eben diese Übersteigerung der Personen, Ich bemühe mich darum, Typen, Bedeutungsträger auf die Bühne zu stellen, etwa im Sinn des Brechtschen Lehrstücks.
Eine literarische Technik, die ich verwende, ist die der Montage. Ich erziele in einem Stück verschiedene Sprachebenen, indem ich meinen Figuren Aussagen in den Mund lege, die es schon gibt. Ich bemühe mich nicht um abgerundete Menschen mit Fehlern und Schwächen, sondern um Polemik, starke Kontraste, harte Farben, Schwarz-Weiß-Malerei; eine Art Holzschnittechnik. Ich schlage sozusagen mit der Axt drein, damit kein Gras mehr wächst, wo meine Figuren hingetreten sind. Am besten kann ich das an einigen Beispielen aus meiner dramatischen Produktion verdeutlichen. [...]
Was mein letztes Stück, BURGTHEATER, betrifft, so habe ich lange am Schneidetisch Kitschfilme, aber auch reine Propagandafilme (HEIMKEHR) der Nazi-Ära angeschaut und Dialoge und Monologe mitgeschrieben. Es ging mir darum, mit den Mitteln der Sprache zu zeigen, wie wenig sich die Propagandasprache der Blut-und-Boden-Mythologien in der Nazikunst vom Kitsch der Heimatfilmsprache in den fünfziger Jahren, einer Zeit der Restauration, unterscheidet. Dieser Sumpf aus Liebe, Patriotismus, Deutschtümelei, Festlegung der Frau auf die Dienerin, Mutter, Gebärerin und tapfere Gefährtin von Helden, auf die stets sich selbst Verneinende, dem Mann Gehorchende – ein Matsch, der nach dem Krieg nie richtig trockengelegt worden ist, war mein Material, das ich zu einer Art Kunstsprache zusammengefügt habe, weil es in seiner Kitschigkeit und Verlogenheit nicht mehr zu überbieten ist. Diese Sprache ist nicht parodierbar. Sie „spricht für sich selbst“, und daher mußte ich nicht mehr sprechen.
Ich arbeitete gewissermaßen linguistisch am Text, indem ich die Wörter, die schleimig und verwaschen die faschistische Ideologie transportieren, zu Wortneuschöpfungen umwandelte, Neologismen, die die ganze Brutalität des Faschismus enthüllen, ohne daß das einzelne Wort im Zusammenhang etwas bedeuten muß, zum Beispiel „Saubertöte“ statt „Zauberflöte“, „Sauschlitzerin“ statt „Schauspielerin“. Das Stück ist an realen Personen orientiert, die in der Zeit des Faschismus berühmte Schauspieler waren (und es heute genauso wären), aber nicht die Personen als solche sind mir wichtig gewesen, sondern das, wofür sie standen, was sie repräsentierten, wofür sie sich zum Werkzeug machten. Ähnlich wie im MEPHISTO von Klaus Mann, in dem auch Gründgens als Person weniger wichtig ist als die Figur eines Aufsteigers in der Nazizeit, die eben bestimmte Züge eines bestimmten Menschen trägt.
Meine Arbeitsweise funktioniert, wenn es mir gelingt, die Sprache zum Sprechen zu bringen, durch Montage von Sätzen, die verschiedene Sprachen miteinander konfrontiert, aber auch durch Veränderung von Worten oder Buchstaben, die im Idiom verhüllte Aussagen entlarvt. Auf der Bühne interessieren mich nicht Charaktere mit dem Nimbus von „Persönlichkeit“, sondern Prototypen. Mein Verfahren bleibt sichtbar und durchsichtig. Weder Autor noch Personen sind Geheimnisträger. Die Figuren auf der Bühne stehen für etwas, sie sind für mich Werkzeuge, mit denen ich meine Aussagen machen will, denn ich glaube an das Theater als ein politisches Medium.
Der Essay erschien erstmals in: TheaterZeitSchrift 7 (1984), S. 14–16.
Markus Edelmann: Jelinek lesen lernen - Ein BURGTHEATER-Alphabet

„Im Märchenkahn eine Gestalt in einer merkwürdigen Mischung aus Alpenkönig, Menschenfeind und Invalide.“
Der Alpenkönig ist eine allegorische Figur aus Ferdinand Raimunds romantisch-komischem Zauberspiel DER ALPENKÖNIG UND DER MENSCHENFEIND (1828). Der Alpenkönig Astragalus bewirkt in Raimunds Stück Läuterung und Versöhnung, indem er dem Menschenfeind Rappelkopf als Doppelgänger erscheint und ihm so sein toxisches und paranoides Verhalten spiegelt. In Jelineks BURGTHEATER führt der Auftritt des Alpenkönigs nicht zu Selbsterkenntnis – im Gegenteil: Bevor er als Schutzgeist alles zum Guten wenden kann, wird er brutal umgebracht. Im zum „Großdeutschen Reich“ gehörigen Österreich ist der Alpenkönig ein Ausländer, repräsentiert er doch auf idealtypische Weise das österreichische Wunschbild vom ‚guten Kaiser‘. 1965 wurde DER ALPENKÖNIG UND DER MENSCHENFEIND von Rudolf Steinboeck am Burgtheater inszeniert – mit Paul Hörbiger als Alpenkönig und Attila Hörbiger als Rappelkopf.
„Käthe: Brüderlein fein, Brüderlein fein, einmal muss geschieden sein.“
BRÜDERLEIN FEIN ist ein Lied aus Ferdinand Raimunds Zaubermärchen DER BAUER ALS MILLIONÄR (1826). Im Duett mit Wurzel, einem zu Reichtum gekommenen Bauern, kündigt die Jugend diesem ihre Freundschaft auf, woraufhin er sich schlagartig in einen alten Mann verwandelt. In Jelineks BURGTHEATER stimmen sowohl Istvan als auch Käthe dieses Lied an – einmal, um Österreich mit dem „Anschluss“ ins „Deutsche Reich“ zu verabschieden, das zweite Mal, um die gewaltvolle Beseitigung des Alpenkönigs einzuleiten. Aus dem Jahr 1941 stammt der Film BRÜDERLEIN FEIN (Regie: Hans Thimig) über das Leben von Ferdinand Raimund – u. a. mit Hans Holt als Ferdinand Raimund und Paul Hörbiger als Franz Grillparzer.
„Istvan [zum Zwerg]: Du derfst keiner Menschenseele verratn, was du hier im Hause der Musen erblicktest. Dafier derfst du schlußendlich als einziga Schauspüla auf der Wölt den Posa und den Carlos in einer Person dorstellen […].“
Als Gegenleistung für die Verheimlichung dessen, „was [s]ie olle gemocht haben im achtunddreißiger Jahr und danach“, bietet Istvan „kurz vor der Befreiung Wiens“ dem Burgtheaterzwerg, seinem bis zuletzt verfolgten „Kollegen“, gleich zwei Rollen in DON CARLOS an. Friedrich Schillers dramatisches Gedicht aus dem Jahr 1787 ist ein exemplarisches Werk der Weimarer Klassik, das politisch-familiäre Konflikte am spanischen Hof des 16. Jahrhunderts darstellt. Posa, der Jugendfreund von Don Carlos, richtet bei Schiller folgende sprichwörtlich gewordene Forderung an König Philipp II.: „Geben Sie / Gedankenfreiheit.“ In Jelineks Stück versucht der Alpenkönig, sich mit diesem Satz zu retten. Käthe, Istvan und Schorsch, die ihn massakrieren, reagieren allerdings nur mit einem „Lachkrampf“ darauf. Im Rahmen der Wiedereröffnung des Burgtheaters 1955 wurde – auf KÖNIG OTTOKARS GLÜCK UND ENDE folgend – DON KARLOS in der Regie von Josef Gielen mit Oskar Werner in der Titelrolle, Werner Krauß als Philipp II. und Fred Liewehr als Marquis von Posa gezeigt.
„Zwerg schlendert inzwischen zwanglos umher: Ich schlendere umher, ergreife dies und jenes, freue mich meiner neugewonnenen Freiheit. Gibts in Wien a Hetz a Drahrerei, joo, do bin i dabei. Singt, schlendert.“
GIBT’S IN WIEN A HETZ, A DRAHREREI ist eine Polka aus der Operette FRÜHLING IM PRATER (1949) von Robert Stolz, mit Texten von Ernst Marischka. Robert Stolz, der aufgrund seiner Ablehnung des Nationalsozialismus 1938 in die USA emigrierte, verhalf nach der Machtergreifung der Nazis vielen Jüdinnen und Juden zur Flucht aus Deutschland. Das Wort „Drahrerei“ deutet die Drehbewegung des Tanzens an. Im Wienerischen versteht man unter einem „Drahrer“ einen leichtsinnigen Wiener, der die Nacht zum Tag macht. Jelinek spielt in diesem Zitat außerdem mit der Mehrdeutigkeit des Wortes „Hetz“. Während eine „Hetz“ in der österreichischen Umgangssprache einen Spaß, eine Belustigung, ein Vergnügen bezeichnet, versteht man unter einer „Hetze“ die manipulative Erzeugung von negativen Gefühlen wie Hass und Feindschaft gegen bestimmte Menschen. Im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus bzw. dem Antisemitismus ist etwa von der „Judenhetze“ oder – die Jägersprache aufgreifend – von der „Hetzjagd auf Juden“ die Rede. Auch an anderen Stellen greift Jelinek diese Doppeldeutigkeit auf: „Istvan: Ui jegerl, is des a Hetz! / Schorsch: A Hetz muaß sein! So glocht hamma nimma seit dem Anschluß!“
„Istvan: Auf einem weißen Hengst tu ich reiten. Die einsame Birke.“
Istvans aus dem Zusammenhang gerissenes Bildzitat verweist auf ein typisches Motiv der romantischen Landschaftsmalerei – u. a. bei Caspar David Friedrich (1774–1840), der von den Nationalsozialisten ideologisch vereinnahmt wurde. Zudem handelt es sich um eine Anspielung auf die polnische Ortschaft Birkenau (Brzezinka), wo im Oktober 1941, drei Kilometer von Auschwitz entfernt, ein Vernichtungslager errichtet wurde. Im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau wurden bis 1945 etwa 1,1 Millionen Menschen ermordet. Als größtes Gefangenenlager der Nationalsozialisten ist es das Sinnbild des Holocaust.
„Käthe küßt sie [Resi] ab: Faktotum oides! Schwägerin! Schwester! Naa, mehr als a Schwesterl: Dienstbot, treuer!“
Als Faktotum wird scherzhaft ein Mensch bezeichnet, der alles macht (lateinisch: fac totum), das heißt vor allem für unterstützende Arbeiten, Besorgungen etc. zuständig ist und aufgrund seiner Verlässlichkeit und Hilfsbereitschaft großes Vertrauen genießt. So wird Resi in BURGTHEATER auch als „treuer Hausgeist“ und „dienstbarer Geist“ bezeichnet, womit auf den biblischen Brief von Johannes an die Hebräer Bezug genommen wird, in dem die Engel folgendermaßen charakterisiert werden: „Sind sie nicht allzumal dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit?“ Käthe benützt Resi vor allem zur Machtdemonstration bzw. zur lustvollen Ausübung von Gewalt an Untergebenen. Als Vorbild für die Figur dient die im Stück mehrmals genannte Volksschauspielerin Annie Rosar (1888–1963) in der Rolle einer Haushälterin, Köchin o. Ä., für die sie in einer Vielzahl an (Unterhaltungs-)Filmen große Bekanntheit erlangte. In Carol Reeds DER DRITTE MANN (1949) hatten Annie Rosar und Paul Hörbiger einen kurzen Auftritt als Portiersehepaar.
„Käthe: I spü a junge Schauspielschülerin aus der Provinz. Aus Graz halt. In mein Pensionat hab i heimlich die Aufnahmspriefung für die Schauspielakademie bestonden. Mitm Gretchen natierlich.“
Jelinek greift in BURGTHEATER unterschiedliche Motive aus dem Film DIE GANZ GROßEN TORHEITEN (1937) auf. Regie führte Carl Froelich, der von 1939 bis 1945 Präsident der Reichsfilmkammer war. Ralph Benatzkys Tango EINMAL IST KEINMAL aus diesem Film ist heute vor allem durch die Verwendung in Pina Bauschs KONTAKTHOF (1978) bekannt. Paula Wessely spielte im Film die junge Elevin Theresa Brandl aus Graz, die nach Wien kommt, um Schauspielerin zu werden. An der Akademie spricht sie Klärchen aus Goethes EGMONT vor. Das von Jelinek erwähnte „Gretchen“ verweist wiederum auf Paula Wesselys Bühnenerfolg als Margarete in Max Reinhardts (1873–1943) monumentaler FAUST-Inszenierung in der Salzburger Felsenreitschule in den Jahren 1933 bis 1937. Reinhardt sah sich als Jude aufgrund zunehmender Übergriffe 1938 gezwungen, in die USA zu emigrieren. An anderer Stelle ruft Käthe – Goethes Gretchen zitierend – „gellend“ aus: „Mein Salzburg! Mein Gretchen! Mein Reinhardt! Jud ölendiga! Pfui Deufi! Neige du Schmerzensreiche.“
„Istvan: Wir werden heimkehren! Wozu jammern und fragen. Es wird doch alles gut!“
Jelinek zitiert hier und an anderen Stellen im Stück aus einem patriotisch-pathetischen Monolog, den Paula Wessely im Film HEIMKEHR (1941) hält. Propagandaminister Joseph Goebbels hielt diese Szene im Kerker für „das Beste, was je im Film gedreht worden ist“, wie er in seinem Tagebuch notierte. Mittels Verfälschung der Tatsachen erzählt der Film von der Verfolgung der deutschen Minderheit in Polen und rechtfertigt so den deutschen Überfall auf Polen. „Gustav Ucickys Machwerk HEIMKEHR, in dem sie [Paula Wessely] die Hauptrolle spielte, ist der schlimmste Propagandaspielfilm der Nazis überhaupt. Ihre Mitwirkung sowohl an ablenkenden Filmen als auch an diesem Propagandaspielfilm wird bis heute unterschätzt“, so Jelinek in einem Telefoninterview anlässlich des Todes von Paula Wessely im Jahr 2000. „Man darf nicht vergessen, dass Paula Wessely der höchstbezahlte weibliche Star der Nazizeit war. Das Argument einer ‚unpolitischen Frau‘, wie man sie im günstigsten Fall nennen könnte, kann ich nicht akzeptieren. Denn wenn sie in HEIMKEHR sagt, ‚Wir kaufen nichts bei Juden‘, hätte sie als erwachsener Mensch wissen müssen, was sie da sagt.“ Sozusagen zur Reinwaschung spielte Paula Wessely 1948 in Karl Hartls auf dem gleichnamigen Roman von Ernst Lothar basierenden Film DER ENGEL MIT DER POSAUNE eine Jüdin, die sich als Verfolgte 1938 das Leben nimmt.
„ISTVAN – Burgschauspieler, Filmschauspieler, Käthes Mann"
Der ungarische Vorname István, der Krone bzw. Siegeskranz bedeutet und dem deutschen Vornamen Stephan entspricht, verweist auf Attila Hörbigers Verbindung zu Ungarn, wo er 1896 in Budapest geboren wurde. Er war der jüngste Sohn von Leopoldine und Hanns Hörbiger und Bruder von Hans Robert, Alfred und Paul Hörbiger. Hanns Hörbiger arbeitete in Budapest als Ingenieur, entwickelte u. a. das Stahlplattenventil und wurde später als Schöpfer der „Welteislehre“ bekannt. 1903 übersiedelte die Familie nach Wien. 1935–1937 und 1947–1951 spielte Attila Hörbiger die Titelrolle in Hofmannsthals JEDERMANN bei den Salzburger Festspielen. Ab 1950 war er Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters, 1967 wurde er zum Ehrenmitglied ernannt. Lange Zeit stand er künstlerisch und was die Popularität betrifft im Schatten von seinem Bruder Paul und von Paula Wessely, die er 1935 heiratete. Dennoch entwickelte er sich v. a. als Charakterdarsteller in Stücken österreichischer Autoren wie Nestroy, Raimund und Hofmannsthal zu einer österreichischen „Institution“. In der NS-Zeit war Attila Hörbiger ein vielbeschäftigter Filmschauspieler und wirkte u. a. am antisemitischen und antipolnischen Propagandafilm HEIMKEHR (1941) mit. Sein politisch problematisches, d. h. indifferentes und angepasstes Verhalten in dieser Zeit beeinflusste seine Popularität nach 1945 nicht.
„MITZI – Käthes und Istvans älteste Tochter / MAUSI – Käthes und Istvans zweitälteste Tochter / PUTZI – Käthes und Istvans jüngste Tochter“
Jelinek greift bei der Benennung der Töchter von Käthe und Istvan auf gängige, verniedlichende Kosenamen zurück und betont die damit einhergehende Verdinglichung, indem sie vorschlägt, dass Putzi „eventuell [eine] lebensgroße Stoffpuppe“ mit „Stimme vom Band“ sein könnte. Vorbilder für diese Figuren sind Paula Wesselys und Attila Hörbigers Töchter Elisabeth Orth (1936–2025), Christiane Hörbiger (1938–2022) und Maresa Hörbiger (geb. 1945), die ebenfalls große Bekanntheit als Film- und Theaterschauspielerinnen erlangten. Elisabeth Orth, seit 2014 Ehrenmitglied und seit 2015 Doyenne des Burgtheaters, hält in ihrem Buch „AUS EUCH WIRD NIE WAS“ (2015), das im Titel eine an die Töchter gerichtete Aussage Paula Wesselys aufgreift, folgende Erinnerung fest: „Viele Jahre später hat meine jüngste Schwester Maresa, die das Elternhaus in Grinzing erbte, oben im Dachboden aufgeräumt. Da standen, wie wir wussten, zwei Schrankkoffer, aufwendig verarbeitet, mit Laden und mit Monogramm. Maresa öffnete einen dieser Schrankkoffer, und es fielen ihr in einer Staubwolke zwei vergilbte Pelzmäntel entgegen. Die hatten unsere Eltern bei den Dreharbeiten zu HEIMKEHR getragen. All die Jahrzehnte hingen diese Mäntel in den Schrankkoffern. Maresa lief hinaus, um wieder Luft zu bekommen nach dem ganzen Staub und Dreck. Ihre erste Reaktion war körperlich, die zweite, viel stärkere, war seelisch.“

„Plötzlicher Erstickungsanfall aus der Kredenz, den niemand übertönen kann, dazu erstickt vom Zwerg: Entschuldigens scho! Entschuldigung bitte… Istvan stürzt hin und öffnet die Kredenztür: Wos geht durten in dera Kredenz vur? Erstickte Geraische, das is bestimmt a schiacher Bua.“
„Kredenz“ ist ein veralteter Begriff für eine Anrichte bzw. ein Büfett. Im 19. Jahrhundert wurde die Kredenz – in Kombination mit einem in der Raummitte platzierten, meist ovalen Esstisch – zu einem wesentlichen Möbelstück der gehobenen bürgerlichen Wohnungseinrichtung. Auch im Speisezimmer in Jelineks BURGTHEATER ist die Kredenz ein zentrales Objekt. Sie dient als – an eine Gefängniszelle erinnerndes – Versteck für den Burgtheaterzwerg, der von Resi dorthin verbracht wird, und ist der Aufbewahrungsort des „Medizinfläschchen[s]“, aus dem Käthe trinkt, um sich zu vergiften. Nach einem weiteren Selbstmordversuch wird Käthe von Istvan außerdem als „Kredenz“ beschimpft. Seinen Ursprung hat das Wort im italienischen „credenza“, worunter man das Vorkosten von Speisen versteht und das wiederum auf dem lateinischen „credere“ beruht. Die Kredenz wird damit – ganz ihrer Funktion in Jelineks Stück entsprechend – zu einem Gegenstand des Glaubens und Vertrauens. Gebräuchlich ist des Weiteren der Begriff „kredenzen“, der das Darreichen bzw. das Zubereiten von Getränken oder Speisen bezeichnet.
„Schorsch: Stell dir vor, es geht das Licht aus, ja wos sollen wir da tun? Keine Angst, es geht noch nicht aus, aber trotzdem sag ichs nun!“
STELL DIR VOR, ES GEHT DAS LICHT AUS ist ein Lied aus Franz Antels Verwechslungskomödie HALLO DIENSTMANN (1952) – einem der bekanntesten Filme des Duos Paul Hörbiger und Hans Moser. So wurde etwa die Szene, in der die beiden unter größten Anstrengungen einen Koffer über eine Stiege transportieren, legendär. Die verwitwete Schwester des von Hans Moser dargestellten Dienstmannes Anton Lischka spielte Annie Rosar. (Anton Lischka: „Sie haßt Rosa, is mei Schwester. Sie ist eine Witwe, oba net gern.“ vgl. Istvan zu Resi: „Bist eh nurs oide Schwesterl, was net pimpern derf!“) Im Film wird das erotisch-komische Lied STELL DIR VOR, ES GEHT DAS LICHT AUS von Paul Hörbiger und Maria Andergast gesungen. Bei Jelinek steht das Motiv der plötzlichen Finsternis nicht so sehr für eine vertrauliche und intime Atmosphäre, sondern ist vielmehr Ausdruck von Angst und Bedrohung.
„Schorsch: Der Schnitter messert. Helfen Sie einer daitschen Mutter bitte!“
ES IST EIN SCHNITTER, DER HEIßT TOD ist ein deutsches Volkslied aus dem 17. Jahrhundert, das sich in Achim von Arnims und Clemens Brentanos Liedsammlung DES KNABEN WUNDERHORN (1806) findet. Es ist Ausdruck des Vanitas-Gedankens – des Bewusstseins für die Vergänglichkeit des Menschen und die Scheinhaftigkeit alles Seins: „Es ist ein Schnitter, der heißt Tod, / Hat Gewalt vom höchsten Gott, / Heut wezt er das Messer, / Es schneidt schon viel besser, / Bald wird er drein schneiden, / Wir müssens nur leiden. / Hüte dich schöns Blümelein!“ Im Kontext, den Jelinek eröffnet, ist der todbringende „Schnitter“ jedoch keine unerreichbare Schicksalsmacht, sondern hat mit „Daitschlond“ einen konkreten Namen.
„Alpenkönig: Ich bin die Nachgeborenen!“
Als „nachgeboren“ werden Menschen bezeichnet, die nach dem Tod ihres Vaters zur Welt gekommen sind oder viel später als ihre Geschwister geboren wurden. Die Aussage des Alpenkönigs spielt jedoch vor allem auf Bertolt Brechts Gedicht AN DIE NACHGEBORENEN aus dem Zyklus der SVENDBORGER GEDICHTE (1939) an. Brecht wendet sich in diesem Gedicht an zukünftige Generationen – mit der finalen Bitte: „Gedenkt unsrer / Mit Nachsicht“. Das Gedicht ist Ausdruck tiefen Schuldbewusstseins sowie der Verzweiflung über ein Leben „in finsteren Zeiten“. Ebendiese Haltung steht in klarem Kontrast zur Einstellung der zentralen Figuren in Jelineks Stück, die eben nicht Verantwortung übernehmen und sich nicht die Frage stellen, „was […] das für Zeiten [sind]“.
„Käthe: Ewig stehen die Berge in eisiger Pracht! Vaterland, halt treu die Wacht! Das daitsche Publikum aller Stämme will auch juchzen! Nur eine einmalige künstlerische Begebenheit wie ich verhilft dazua. Österreichertum! Istvan haut ihr eine Leichte runter.“
Prägend in Jelineks BURGTHEATER sind Motive, die Kitsch- und Klischeebilder von Österreich aufgreifen und Heimatverbundenheit bzw. Patriotismus betonen. Käthes Rolle als öffentliche Repräsentantin des „Österreichertums“ führt zu Konflikten, da in der Zeit des Nationalsozialismus die Verbundenheit mit Österreich durch ein betontes Deutschtum ersetzt wird. Sowohl Istvan als auch Schorsch weisen Käthe wiederholt – auch mittels physischer Gewalt – darauf hin, dass der „Ernst der Stunde […] gebieterisch noch einem in Großdaitschlond ollgemein verständlichen Schriftdaitsch [verlangt]“. So ist es auch die sprachliche Anpassung, die zu einer Identitätskrise, zu geradezu schizophrenen Verwirrungszuständen führt.
„Burgtheater. Posse mit Gesang“
Mit der Gattungsbezeichnung „Posse mit Gesang“ nimmt Jelinek auf die Tradition des Wiener Volkstheaters Bezug – besonders auf die Stücke von Johann Nestroy, die auf satirische Weise Zeitkritik üben. Auch Nestroy gebraucht in seinen Stücken einen Kunstdialekt und bringt musikalische Elemente wie Lieder, Couplets, Tänze etc. ein. Generell versteht man unter einer Posse ein derb-komisches Theaterstück, das mit Mitteln der Übertreibung arbeitet und zumeist ohne moralische Botschaft auskommt. Im Zentrum einer volkstümlichen Posse steht meist eine lokal verortbare Figur, die in grotesken Konfliktsituationen zum Lachen anregt, aber auch soziale Probleme ironisch thematisiert bzw. entlarvt.
„Käthe: Mir hom glaubt, du seist neilich erscht liquidiert wurn.“
Paul Hörbiger (1894–1981) wurde am 22. Januar 1945 wegen einer Spende von 2000 RM für die österreichische Freiheitsbewegung inhaftiert und aufgrund des Vorwurfs des Hochverrats zum Tode verurteilt. Kurz vor Kriegsende folgte – gemeinsam mit anderen politischen Häftlingen – die Freilassung aus dem Wiener Landesgericht. Trotzdem ist zu betonen, dass Paul Hörbiger zu den meistverdienenden Schauspielern der NS-Zeit zählte. Von 1933 bis 1945 verkörperte er in ca. 60 Rollen vorwiegend unpolitische Charaktere. 1942 zum Staatsschauspieler ernannt, entwickelte er – anders als viele Künstler:innen seiner Zeit – ein Bewusstsein für den Missbrauch von Unterhaltungsfilmen durch das NS-Regime, die vor allem der Ablenkung bzw. Verharmlosung und der untergründigen Propaganda dienen sollten. In Jelineks BURGTHEATER betont Schorsch – wie auch Istvan –, „nur ein Komödiant“ zu sein, um sich von jeglicher politischen Verantwortung loszusagen.
„Istvan: I hab zwa herbe Rappen, mei Zeugerl steht am Grabn! I seh da rare Happen! I hab a rare Pappn!“
Jelinek verfremdet hier das FIAKERLIED von Gustav Pick (1832–1921), eines der bekanntesten Wienerlieder, das 1885 in der Rotunde des Praters von Alexander Girardi erstmals gesungen wurde. Das Lied erfuhr vielzählige Interpretationen und Adaptionen – u. a. von Paul Hörbiger, der zudem im Film FIAKERLIED (1936) in der Hauptrolle als Fiaker zu sehen war. In der Zeit des Nationalsozialismus war das FIAKERLIED aufgrund der jüdischen Herkunft von Gustav Pick verboten. Pick wurde im burgenländischen Rechnitz geboren – dem Ort, der aufgrund eines bis heute nicht restlos aufgeklärten Endphaseverbrechens Bekanntheit erlangte: Jelinek thematisierte die Ermordung von ca. 180 ungarisch-jüdischen Zwangsarbeitern in der Nacht vom 24. auf den 25. April 1945 in ihrem Theatertext RECHNITZ (DER WÜRGEENGEL).
„Schorsch: Da seicht der Österreicher hin vor Samojeden.“
Am Ende des ersten Teils von BURGTHEATER greift Jelinek die berühmte Österreich-Lobrede von Ottokar von Hornek aus Franz Grillparzers historischem Trauerspiel KÖNIG OTTOKARS GLÜCK UND ENDE auf, indem sie diese sprachlich verfremdet und so zu einem Abgesang macht. Positiv konnotierte Wörter werden durch Nazivokabular und Begriffe, die Gewalt, Zerstörung und Verkommenheit implizieren, ersetzt. „Da tritt der Österreicher hin vor Jeden“, ist der Vers, der dem obenstehend zitierten Satz zugrunde liegt. Das umgangssprachliche Verb „seichen“ kann sowohl „urinieren“ als auch „Unsinn reden bzw. schreiben“ bedeuten. Die „Samojeden“ wiederum sind indigene Völker des russischen Nordens, die uralische Sprachen sprechen. Außerdem gibt es nordische, mittelgroße Hunde, die „Samojeden“ genannt werden und u. a. als Wachhunde genutzt wurden. Das im Stück wiederholt verwendete Narrativ der „Fratze des Bolschewismus“, des „Russen“, der „alles in Schutt und Trümmer [legt]“ wird also auch an dieser Stelle aufgerufen. Zur Wiedereröffnung des Burgtheaters 1955 wurde – nach einer öffentlichen Debatte, welches Stück dafür gewählt werden soll – KÖNIG OTTOKARS GLÜCK UND ENDE gezeigt. In der Inszenierung von Adolf Rott waren u. a. Ewald Basler als König Ottokar, Attila Hörbiger als Rudolf von Habsburg und Raoul Aslan als Ottokar von Hornek zu sehen.

„Schorsch: Geh gib a Ruah, heast! Er schlägt Käthe kurz und rasch zu Boden. Sie fällt um und bleibt liegen. […] Patscherl! Krischpindl! Tschapperl!“
Auf Schorschs physischen Übergriff gegen Käthe folgen abwertende, den Gewaltakt verharmlosende Bezeichnungen, die der österreichischen Umgangssprache entstammen. Während man unter einem „Krispindl“ eine schwache, meist sehr magere, zarte Person bezeichnet, beziehen sich die Ausdrücke „Patscherl“ und „Tschapperl“ weniger auf die physische Erscheinung eines Menschen, sondern eher auf Charaktereigenschaften wie Ungeschicktheit und Unbeholfenheit. Die Verwendung des Wortes „Tschapperl“ oder „Tschopperl“ impliziert eine Hierarchisierung bzw. Abwertung, handelt es sich doch um die herablassende Bezeichnung einer angeblich nicht ernst zu nehmenden, dummen und naiven Person. Bei Jelinek ist der Begriff Ausdruck der herrschenden Geschlechterhierarchie bzw. des Sexismus. Gängig ist die Verwendung des Begriffs „Tschapperl“ auch in Bezug auf hilflose kleine Kinder und schutzbedürftige oder behinderte Menschen, gegenüber denen überlegenes und verniedlichendes Bedauern vorherrscht.
„Istvan: I spü an Magnaten ausm Ungarlond. Oder Trenck, den Panduren!“
An dieser Stelle wird auf zwei Filme Bezug genommen: In ERNTE (DIE JULIKA) (1936) spielt Attila Hörbiger den Großgrundbesitzer Karl von Tamassy, der mit der aufopferungsvoll ihm ergebenen Kutscherstochter Julika, dargestellt von Paula Wessely, zusammenfindet. ERNTE war der erste gemeinsame Film von Paula Wessely und Attila Hörbiger. Aus dem Film stammt das von Paula Wessely gesungene Lied HÖRST DU’S KLINGEN, HÖRST DU’S SINGEN, das Jelinek in BURGTHEATER zitiert. TRENCK, DER PANDUR (1940) ist ein Historienfilm mit Hans Albers in der Titelrolle. Während man unter einem Magnaten entweder einen reichen Industriellen bzw. Gutsbesitzer oder einen hohen Adeligen aus Polen oder Ungarn versteht, so ist ein Pandur ein ungarischer Fußsoldat bzw. ein k. u. k. Soldat südslawischer Herkunft.
„Schorsch: Sprache und Volkheit!“
„Wir brauchen in unserer Sprache ein Wort, das, wie Kindheit sich zu Kind verhält, so das Verhältnis Volkheit zum Volke ausdrückt“. Dieser Gedanke von Goethe wird in der Zeit des Nationalsozialismus aufgegriffen und missbraucht, indem er mit einer rassistischen und nationalistischen Weltanschauung verknüpft wird. So findet sich etwa in einem 1944 veröffentlichten literaturwissenschaftlichen Werk des nationalsozialistisch gesinnten Germanisten Julius Petersen der Satz, wonach „das Land des Dichters seine Sprache [ist], und die Sprache Ausdruck seiner Volkheit [ist]“. Jelinek führt diesen Gedanken in BURGTHEATER beispielhaft ad absurdum, indem sie unterschiedliche Formen ideologischer Manipulation dekonstruiert und deren Sprache „zur Kenntlichkeit entstellt“.
„Mitzi: Wiener Blut, Wiener Blut – was die Stadt alles hat in dir ruht!“
Hierbei handelt es sich um ein Zitat aus einem Duett der Operette WIENER BLUT (1899) von Johann Strauß (Sohn), nach einem Libretto von Victor Léon und Leo Stein. (An einer anderen Stelle im Stück äußert Istvan den Wunsch, in einem Film „den Strauß Schani vur seine greßten Erfolge“ zu spielen.) Im Kontext von Jelineks BURGTHEATER steht das „Wiener Blut“ nicht so sehr für Lebensfreude und erotische Leidenschaft, sondern lässt viel eher an körperliche Versehrtheit sowie an den nationalsozialistischen Rassismus und dessen Blut-und-Boden-Ideologie denken. Mitzi stimmt das Lied an, nachdem sie folgenden Plan den Burgtheaterzwerg und ihre Familie betreffend geäußert hat: „Der Zwerg wird auf Anfrage antworten, daß er bei uns im schitzenden Kölla huckte. Flugzeuge zuckten umher, doch er vergoß keinen Tropfen Zwergenblut.“
„Käthe: Gedüngte Hhherde. Lllleicheln unterm Baam. Marod... Krowot... Ttttorsch... Schschschood daß Ttttttortn! Tuatn. Henriette. Lavendel. Buxbaam. Morrrrdenrot! Junger Tutter! Hinreise. Au! Au! Auschschwww…“
Jelinek arbeitet an dieser dissonanten Stelle mit lautpoetischen Ausdrucksmitteln, wie man sie etwa aus Texten von Mitgliedern der Wiener Gruppe oder Ernst Jandl kennt. Hervorgerufen werden Assoziationen wie Tod und Gewalt, die mit dem als Wehlaut angedeuteten Wort „Auschwitz“ enden. Auffallend sind in diesem Kontext zwei Pflanzen, die genannt werden: Während dem Lavendel als Heilpflanze eine positive, beruhigende Bedeutung zugeschrieben wird, konnotiert man den Buchsbaum gemäß der katholischen Symbolik mit der Passion Christi, werden doch am Palmsonntag Kreuze mit gesegneten Buchsbaumzweige geschmückt. Vor diesem Hintergrund ist es zudem interessant, dass der Buchsbaum eine in repräsentativen Parkanlagen – etwa in den Gärten um Schloss Schönbrunn – gebräuchliche Zierpflanze ist.
„Menschen, die ‚Wir schaffen die siebte Million‘ singen, werfen anderen Antisemitismus vor und besuchen Yad Vashem.“ (Itay Tiran in Milo Raus Bearbeitung von Elfriede Jelineks BURGTHEATER)
2018 wurde bekannt, dass sich in einem Liederbuch der Burschenschaft Germania Wiener Neustadt eine Version des Liedes ES LAGEN DIE ALTEN GERMANEN findet, die u. a. folgenden neonazistischen Satz enthält: „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.“ Mitglied und zwischenzeitlich stellvertretender Obmann der Burschenschaft war der niederösterreichische FPÖ-Politiker Udo Landbauer, der in Folge des Skandals zurücktrat. Nach Einstellung der Ermittlungen wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung kehrte Landbauer 2018 in die Politik zurück und ist seit 2021 stellvertretender Bundesparteiobmann der FPÖ sowie seit 2023 Landeshauptfrau-Stellvertreter in Niederösterreich. Die Vernichtung der Liederbücher wurde von der Burschenschaft abgelehnt, woraufhin das Gericht das betreffende Lied aus den Büchern schneiden ließ. 2010 und 2016 besuchte Heinz-Christian Strache, damaliger Bundesparteiobmann der FPÖ, in Begleitung weiterer FPÖ-Politiker die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Sein Besuch 2010 sorgte für besonderes Aufsehen, da Strache bei der Besichtigung der Gedenkstätte eine Burschenschafter-Kappe trug.
„Eine Zeitlang bleibt die Bühne leer, dann tritt, verstohlen und gehetzt, verängstigte Blicke um sich werfend, Therese auf. Sie schleift das Burgtheaterzwergerl hinter sich her. Der Zwerg bibbert, fürchtet sich.“
„Ich hab […] eine Groteske geschrieben und hab die Millionen aus rassischen oder politischen Gründen Vernichteten durch einen Zwerg repräsentieren lassen, also verkleinert statt vergrößert“, so Elfriede Jelinek in einem Interview mit Kurt Palm aus dem Jahr 1985. Die Rolle des Burgtheaterzwergs erfährt im Verlauf des Stücks eine radikale Wandlung: Das ehemalige Opfer von Unterdrückung und Verfolgung gewinnt Macht und Selbstbewusstsein, da es seinem Umfeld zur moralischen Rehabilitierung verhelfen kann. Der Burgtheaterzwerg zeigt das schlaue und listige Wesen, wodurch sich Zwerge in Märchen und Sagen oftmals auszeichnen. Im Rollenverzeichnis des Stücks wünschte sich Jelinek den kleinwüchsigen Schauspieler Fritz Hakl (1932–2021) in der Rolle des Burgtheaterzwergs. Hakl war von 1966 bis 1994 Ensemblemitglied des Burgtheaters. In Otto M. Zykans und Franz Novotnys skandalöser Fernsehproduktion STAATSOPERETTE (1977) über den Austrofaschismus war Hakl als Engelbert Dollfuß zu sehen.