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Die unwahrscheinlichsten Taten, die hier gemeldet werden, sind wirklich geschehen; ich habe gemalt, was sie nur taten. Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate. Sätze, deren Wahnwitz unverlierbar dem Ohr eingeschrieben ist, wachsen zur Lebensmusik. Das Dokument ist Figur; Berichte erstehen als Gestalten, Gestalten verenden als Leitartikel; das Feuilleton bekam einen Mund, der es monologisch von sich gibt; Phrasen stehen auf zwei Beinen – Menschen behielten nur eines. Tonfälle rasen und rasseln durch die Zeit und schwellen zum Choral der unheiligen Handlung. Leute, die unter der Menschheit gelebt und sie überlebt haben, sind als Täter und Sprecher einer Gegenwart, die nicht Fleisch, doch Blut, nicht Blut, doch Tinte hat, zu Schatten und Marionetten abgezogen und auf die Formel ihrer tätigen Wesenlosigkeit gebracht. Larven und Lemuren, Masken des tragischen Karnevals, haben lebende Namen, weil dies so sein muß und weil eben in dieser vom Zufall bedingten Zeitlichkeit nichts zufällig ist. Das gibt keinem das Recht, es für eine lokale Angelegenheit zu halten. Auch Vorgänge an der Sirk-Ecke sind von einem kosmischen Punkt regiert. Wer schwache Nerven hat, wenn auch genug starke, die Zeit zu ertragen, entferne sich von dem Spiel.
Eine Synopsis zu DIE LETZTEN TAGE DER MENSCHHEIT zu schreiben, ist eigentlich unmöglich. Wer diesen Text liest und nur schnell wissen will, worum es eigentlich geht: Es geht um Krieg und darum, was er mit Menschen macht. Vor allem geht es darum, wie Menschen handeln, wenn sie glauben, ein Krieg sei notwendig. Und darum, was sie überhaupt daran glauben lässt. Karl Kraus montiert dokumentierte Straßenszenen, Zeitungsartikel und Beobachtungen seiner Gegenwart zu einem monumentalen Werk über den Ersten Weltkrieg. Entstanden zwischen 1915 und 1922, folgt das Stück keiner klassischen Erzählung, sondern ist eine „Chronik der fortlaufenden Ereignisse“, die sich an den Geschehnissen des Ersten Weltkriegs orientiert und in 220 Szenen über 1000 Figuren und 200 Schauplätze vorweist. Der Regisseur Dušan David Pařízek hat für die Salzburger Festspiele in Kooperation mit dem Burgtheater Wien eine neue Textfassung entwickelt, in der deutlich wird, wie gültig Kraus’ Analyse von Sprache, Propaganda und Kriegsrhetorik geblieben ist. – Das wäre im Wesentlichen das, was Sie wissen müssen …
… und für diejenigen, die mehr wissen wollen, hole ich jetzt noch einmal aus … Karl Kraus wird 1874 in Jičín (damals Österreich-Ungarn, heute Tschechien) geboren und gilt als eine der prägendsten Stimmen der literarischen und politischen Kritik seiner Zeit. In Wien gründet er 1899 die Zeitschrift DIE FACKEL, die er allein herausgibt und bis zu seinem Tod 1936 in über 900 Ausgaben als kompromissloses Sprachrohr gegen die Verkommenheit von Presse, Politik und öffentlichem Diskurs einsetzt. Kraus ist ein obsessiver Stilwächter, der überzeugt ist, dass sich moralischer Verfall zuerst in der Sprache zeigt – und dass durch präzises Schreiben Widerstand geleistet werden könne. Die „Phrase“ ist sein größter Feind. In der FACKEL seziert er sprachliche Schlamperei genauso wie die Kriegshetze der Tageszeitungen, allen voran der NEUEN FREIEN PRESSE. In ihr sieht Kraus das perfekte Beispiel für eine bürgerlich-liberale Zeitung, die sich mit der Macht arrangiert, den Krieg legitimiert und dabei vorgibt, objektiv zu berichten. In der FACKEL beginnt Kraus mit Kriegsbeginn 1914 gegen den Ersten Weltkrieg anzuschreiben (siehe dazu auch den Auszug aus der Kraus-Biografie von Jens Malte Fischer). In insgesamt vier Sonderheften der FACKEL veröffentlicht er ab 1918 auch DIE LETZTEN TAGE DER MENSCHHEIT. 1922 erscheinen alle fünf Akte inklusive Vorspiel und Epilog erstmals in Buchform. Entstanden sind die meisten Szenen zwischen 1915 und 1917 – im unmittelbaren Erleben des Ersten Weltkriegs. Aufgrund eines Haltungsschadens ist Kraus selbst nicht wehrdiensttauglich und verbringt die Zeit des Krieges in Wien. Die erste Erwähnung der Arbeit am Stück findet sich in einem Tagebucheintrag im Juli 1915: „Was hinauszuschreien wäre, soll mich erdrosseln, damit es mich nicht anders ersticke. Ich bin auf der Straße meiner Nerven nicht mehr sicher […]. Aus dieser Erschöpfung nun ist noch ein Funke entsprungen, und es entstand der Plan zu einem Werk […].“
Man muss ihn sich als verzweifelten Zeitgenossen vorstellen, der den Einsatz von Sprache als Waffe erkennt und durch seine Schriften und Vorträge zur Verteidigung ausholt.
DIE LETZTEN TAGE DER MENSCHHEIT ist eine „Tragödie in fünf Akten“ mit einem Vorspiel und einem Epilog. Darin treten erfundene und reale Figuren auf, manche häufiger und manche nur einmalig. Manche bleiben namenlos, andere sind aus Zeitungsartikeln entnommene Personen, collagenhaft verbunden mit ebenso aufgeschnappten Geschichten. Die Schauplätze erstrecken sich von der Sirk-Ecke in Wien (Ecke Kärntner Ring / Kärntner Straße), über verschiedene Wiener Kaffeehäuser, Büros von deutschen und österreichischen Politikern und Befehlshabern bis zu den jeweiligen Fronten des Ersten Weltkriegs.
„Ich habe eine Tragödie geschrieben, deren untergehender Held die Menschheit ist; deren tragischer Konflikt als der der Welt mit der Natur tödlich endet.“ Das schreibt Karl Kraus in einem Autorenkommentar zur Buchausgabe. Es entfaltet sich ein Panorama an Figuren, das nicht nur für die österreichische Gesellschaft, sondern für die Menschheit an sich steht. Im Vorwort heißt es, das Stück sei „einem Marstheater zugedacht“, nicht nur umfasse es „nach irdischem Zeitmaß etwa zehn Abende“, auch vermöchten „Theatergänger dieser Welt […] ihm nicht standzuhalten.“ Und tatsächlich hat sich Karl Kraus nach der Veröffentlichung des Textes vehement gegen Inszenierungsanfragen gewehrt. 1923 konnte ihn die Neue Wiener Bühne überzeugen, wenigstens den Epilog DIE LETZTE NACHT spielen zu dürfen; 1930 tat das Theater am Schiffbauerdamm in Berlin selbiges. Es bleibt der einzige Teil des monumentalen Werks, der zu Kraus’ Lebzeiten auf die Bühne kommt. Eine vom Autor persönlich bearbeitete Bühnenfassung ist 1930 fertig, wird aber erst 1992 – lange nach seinem Tod im Jahr 1936 – gedruckt.
Wie bearbeitet man also ein Stück für die Bühne, das vom Autor selbst als unspielbar bezeichnet wird? Der tschechische Regisseur Dušan David Pařízek interessiert sich für Kraus’ genaue Beobachtungen der Sprachwandlung. Pařízek kondensiert das Kraus’sche Konvolut auf sieben Figuren, die in wechselnden Konstellationen durch drei thematische Räume führen: „Presse und Politik“, „Gesellschaft im Krieg“ und „künstlerische Positionierung“. Sie schlüpfen in verschiedene Rollen, zitieren Originalstellen, paraphrasieren Szenen und sprechen Heimatdialekt. Die Szenenauswahl lenkt den Blick immer wieder auf die Sprachbehandlung in Kriegszeiten. Kraus’ Anliegen erscheint dabei als bewegliches Denkmodell, das von 1914 bis ins Heute reicht. Unter den sieben finden sich auch Kraus’ Alter Ego, Der Nörgler, und die Kriegsberichterstatterin Alice Schalek; die anderen fünf Figuren kompiliert Pařízek aus verschiedenen Passagen des Originals zu Stellvertretern einer Position. So vertritt das Ehepaar Schwarz-Gelber die Perspektive deutscher Offizieller, der Feldkurat Anton Allmer steht für die Kriegsunterstützung seitens der Kirche, der Soldat berichtet von seinen Eindrücken im Kampf, und der Patriot aus Kraus’ Original bekommt den Namen Vinzenz Chramosta (der übrigens auch bei Kraus auftritt und einen Lebensmittelladen führt).
Versucht man DIE LETZTEN TAGE DER MENSCHHEIT mit einem Gattungsbegriff zu beschreiben, so fasst man den Text am ehesten als eine „satirische Tragödie“. Denn die von Kraus nicht erfundenen, sondern dokumentierten Begebenheiten und Gespräche bekommen in ihrer Ansammlung und vor dem Hintergrund der Schrecken des Krieges einen abgründigen Humor. Im Vorwort beschreibt der Autor diesen als „Selbstvorwurf eines, der nicht wahnsinnig wurde bei dem Gedanken, mit heilem Hirn die Zeugenschaft dieser Zeitdinge bestanden zu haben. […] Die Mitwelt, die geduldet hat, daß die Dinge geschehen, die hier aufgeschrieben sind, stelle das Recht, zu lachen, hinter die Pflicht, zu weinen.“ Die Komik ist ein letzter Reflex des Verstandes: Auf das Lachen folgt das Erschaudern darüber, dass das, was wir hier sehen, wirklich geschehen ist. Und gegenwärtig auch wirklich geschieht.
Mit einem reduzierten Bühnenbild, kluger Textarbeit und einer ausgewählten Bildebene über Videoprojektion und Overheadprojektoren schafft Dušan David Pařízek einen Resonanzraum, in dem die Szenen von Karl Kraus ins Heute wirken. Wir hören von der Kriegsbesessenheit des frühen 20. Jahrhunderts und müssen unmittelbar an heutige Kriegsschauplätze denken. Kraus beobachtet, wie der Verlust von Wertemaßstäben mit dem Verfall der Sprache einhergeht – ein Verfall, der sich im 21. Jahrhundert potenziert und dessen radikalste Auswüchse sich heute in den Echokammern digitaler Propaganda beobachten lassen – etwa auf den Plattformen und Profilen jener politischer Akteur:innen, die ihre Sprache längst aus dem Baukasten der Kriegsrhetorik beziehen. Indem Pařízek mit den stellvertretenden Figuren nicht konkret den Ersten Weltkrieg, sondern Krieg im Allgemeinen beschreibt, spürt die Inszenierung die Zeitlosigkeit von Kraus’ Text auf.
Worum es also geht? Es geht darum, sich nicht von einfachen Wahrheiten vereinnahmen zu lassen. Darum, die Komplexität der Welt auszuhalten und in der Beobachtung genau zu bleiben. Kraus’ Stück beschreibt erschreckend präzise Mechanismen der Kriegsrhetorik, medialer Manipulation und der Verschiebung sprachlicher Standards zugunsten politischer Interessen. DIE LETZTEN TAGE DER MENSCHHEIT zeigt nicht, wie es im Ersten Weltkrieg war, sondern wie es wird, wenn wir dieselben Fehler wiederholen. – Den Versuch, das in einer Synopsis zu fassen, kann man nur als Verrat an Kraus’ Anliegen verstehen: Denn jede Zusammenfassung läuft Gefahr, in Phrasen zu enden.
Der Text von Lena Wontorra ist als Originalbeitrag für die Salzburger Festspiele erschienen.
Bibliografie
Jens Malte Fischer: Karl Kraus: Der Widersprecher. München: dtv 2020. (Erstausgabe erschienen im Paul Zsolnay Verlag 2020.)
Karl Kraus: Vorwort zu Die letzten Tage der Menschheit. Wien / Leipzig: Verlag Die Fackel 1922.
Es ist keineswegs ehrenrührig, in den Jahren um 1900 den Kampf von Kraus gegen die Presse allgemein, gegen die NEUE FREIE PRESSE im Besonderen als vielleicht doch im Prinzip nicht falsch, aber im speziellen Fall als übertrieben kritisch, als obsessiv anzusehen. Als die Stimmungen und Geschicke jedoch auf den Ersten Weltkrieg zutreiben, erweist sich die Sicht von Kraus als prophetisch. Und als dieser Krieg dann ausgebrochen ist, wird der Charakter der Presse, speziell der NEUEN FREIEN PRESSE, zur Kenntlichkeit enthüllt. Nehmen wir den 5. Dezember 1914, einen Samstag, als Kennmarke. Das NEUE WIENER TAGBLATT, jenes „Demokratische Organ“, das Kraus seiner Gegnerschaft nicht für würdig befand, titelte auf der ersten Seite in Riesenlettern zur Eroberung von Belgrad mit einem Telegramm des Kommandanten der 5. Armee an den Kaiser über den feierlichen Augenblick, als auf der Belgrader Festung die Standarte der kaiserlichen und königlichen apostolischen Majestät gehisst wird. Der Kaiser […] dankt bewegten Herzens den braven, trefflich geführten Balkanstreitkräften. Der Generalstab meldet weiterhin, dass es in den Karpaten, in Westgalizien und in Südpolen im Allgemeinen ruhig blieb. Von der Obersten Heeresleitung der in Nibelungentreue verbündeten Deutschen wird gemeldet, dass französische Angriffe in Flandern wiederholt abgewiesen wurden, die Franzosen bedeutende Verluste erlitten haben, ebenso östlich der Masurenseenplatte die Russen mit großen Verlusten zurückgeschlagen wurden. Außerdem wird berichtet, dass der ehemalige deutsche Kanzler Fürst Bernhard von Bülow wieder in die Öffentlichkeit trete, und zwar als deutscher Botschafter in Rom. Im Feuilleton berichtet Max Kalbeck über die Premiere der Oper KAIN UND ABEL von Felix Weingartner. Die NEUE FREIE PRESSE ist, ihrem Ruf entsprechend, vornehmer. Hier widmet sich der Leitartikel der Bestallung von Fürst Bülow, während die Einnahme von Belgrad nur in einer schmalen Meldung auf der zweiten Seite gemeldet wird. Gleich daneben, in nahezu gleicher Wichtigkeit, wird aus Berlin die Nachricht gebracht, dass Kaiser Wilhelm zu kurzem Aufenthalt in Berlin eingetroffen ist. Im Feuilleton widmet sich Musikkritiker Julius Korngold natürlich ebenfalls der Hofopernpremiere […]. Darüber findet sich auf Seite drei ein ausführlicher Brief aus dem Feld, nicht verfasst, aber übermittelt von Roda Roda. Dieser war Berufsoffizier gewesen und erfolgreicher Autor von Humoresken und Komödien und neuerdings zum Kriegsberichterstatter der NEUEN FREIEN PRESSE avanciert. Dieser Brief aus dem Feld, dem noch viele weitere folgen sollten, belegt sehr präzise den Vorwurf von Kraus gegen jene Schriftsteller, die sich in den Dienst dieses Krieges bzw. des Landes, das diesen Krieg führte, stellten. In einer grässlich vergnügten, durch humoristische „Glanzlichter“ aufgesprudelten Prosa gibt der Kriegsberichterstatter Roda Roda Stimmungsbilder von der Front, in diesem Fall in der Form eines Briefes, den ein Oberleutnant aus Galizien an den befreundeten Kriegsberichterstatter abgesandt hat und der von diesem sicherlich entsprechend überarbeitet wurde. Stilistisch jedenfalls besteht zwischen Kriegsteilnehmer und Kriegsberichterstatter kein großer Unterschied, vergleicht man dies mit der eigenen Kriegsprosa von Roda Roda. […] Natürlich muss in diesem Zusammenhang der Name der Frauenrechtlerin, Journalistin und Fotografin Alice Schalek genannt werden, jene Frau, die durch DIE LETZTEN TAGE DER MENSCHHEIT unsterblich geworden ist. Sie war zunächst als Reiseschriftstellerin, als Begeisterte für Schießsport, Bergsteigen und Automobilistik berühmt geworden und berichtete vor allen Dingen von der Front in Südtirol, von den Isonzo-Schlachten, seit Sommer 1915 dann auch aus Serbien und Galizien. Anders als Roda Roda verzichtete sie auf humoristische Tupfer und brachte vielmehr die Perspektive einer damaligen Maßstäben nach durchaus emanzipierten Frau ein, die sich, so wie sie es darstellte, auch in gefährliche Situationen hineinwagte und mit gefälligen, von Phrasen durchwirkten Berichten sozusagen den weiblich getönten, allzeit positiven Blick der Heimatfront auf die Kriegsereignisse verbalisierte und damit zur Akzeptanz dieses Krieges erheblich beitrug – was ihr Kraus nicht verzeihen konnte. Als der Krieg vorbei war, verlor sie kein Wort über Grauen und Zerstörung, die er hinterließ, sondern setzte ihre Reisen in entfernte Gebiete zwischen Palästina, Indien und Südamerika fort, garniert mit Vortragsreisen und mit Büchern, denen sie ihre eigenen keineswegs uninteressanten Fotografien beigab. […] Die NEUE FREIE PRESSE, in den Jahren nach der Jahrhundertwende durchaus immer wieder einmal armeekritisch gesinnt im Sinne des liberalen Bürgertums, das jeden übertriebenen Nationalismus verabscheute, der Monarchie wohlwollend, wenn auch nicht enthusiastisch gegenüberstehend, hatte sich in der Zeit vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit geradezu nachtwandlerischer Sicherheit der allgemeinen Stimmung angepasst und schwenkte nun völlig in die kriegsverherrlichende, kriegsverharmlosende und kriegstreiberische Richtung ein, die andere Blätter schon länger vertreten hatten, somit die Einschätzung von Kraus eklatant bestätigend. Es reicht für unsere Zwecke aus, und deshalb waren diese beiden Ausgaben des NEUEN WIENER TAGBLATTS und der NEUEN FREIEN PRESSE vom 5. Dezember 1914 keineswegs zufällig gewählt, die FACKEL-Nummer 404 von exakt diesem Tag vergleichend sich anzuschauen, die aus nichts anderem besteht als einem der berühmtesten Texte von Kraus, jener Anrede, wie er das nennt, IN DIESER GROßEN ZEIT, die er am 19. November 1914 im Wiener Mittleren Konzerthaussaal gesprochen hat, gefolgt von Kapiteln aus Jesaja, Jeremia und aus der Offenbarung Johannis, gefolgt außerdem von Gedichten Liliencrons und dem Gedicht von Kraus DER STERBENDE MENSCH. Der volle Ertrag dieser Vorlesung wurde Rekonvaleszentenhäusern zur Unterstützung wieder einrückender und invalider Soldaten überwiesen. Diese Rede und ihr Abdruck in der FACKEL waren die erste Reaktion von Kraus auf den Beginn des Ersten Weltkriegs, denn das vorhergehende FACKEL-Heft 400 – 403 erschien bereits am 10. Juli 1914 mit seiner Äußerung zu der Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand[,] am 28. Juli folgte die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien, am 1. August die Kriegserklärung Deutschlands an Russland. Kraus’ Rede beginnt mit den berühmten Worten, die die allseits verbreitete Losung von der großen Zeit aufnehmen, in der man sich jetzt befinde: In dieser großen Zeit [da er den Kommata so viel Aufmerksamkeit zugewandt hat, muss angefügt werden, dass das Komma hier fehlt, weil die ersten vier Wörter als Überschrift dienen, die bruchlos in den weiteren Text überleiten] die ich noch gekannt habe, wie sie so klein war; die wieder klein werden wird, wenn ihr dazu noch Zeit bleibt; und die wir, weil im Bereich organischen Wachstums derlei Verwandlung nicht möglich ist, lieber als eine dicke Zeit und wahrlich auch schwere Zeit ansprechen wollen; in dieser Zeit, in der eben das geschieht, was man sich nicht vorstellen konnte, und in der g e s c h e h e n muß, was man sich nicht mehr v o r s t e l l e n kann, und könnte man es, es geschähe nicht –; in dieser ernsten Zeit, die sich zu Tode gelacht hat vor der Möglichkeit, daß sie ernst werden könnte; von ihrer Tragik überrascht, nach Zerstreuung langt, und sich selbst auf frischer Tat ertappend, nach Worten sucht; in dieser lauten Zeit, die da dröhnt von der schauerlichen Symphonie der Taten, die Berichte hervorbringen, und der Berichte, welche Taten verschulden: in dieser da mögen Sie von mir kein eigenes Wort erwarten. Damit meinte Kraus, dass er sich verweigert, etwas zum Kriegsausbruch zu sagen, völlig unabhängig davon, ob etwas Affirmierendes, was von ihm sowieso nicht zu erwarten war, oder etwas Kritisches. Die, die noch nie etwas zu sagen hatten, sprachen sowieso weiter. „Wer etwas zu sagen hat, trete vor und schweige!“ Das Ohr von Kraus jedoch, das die Posaune des Weltgerichts vernimmt, verschließt sich auch nicht vor den Trompeten des Tages. Begrüßenswert wäre, wenn dieser Staat sich endlich dazu durchringen könnte, die sogenannte Pressfreiheit zu erwürgen. Kraus muss nur auf die Litfasssäulen der Innenstadt schauen, um dort das Manifest von Kaiser Franz Joseph AN MEINE VÖLKER, das er zu diesem Zeitpunkt noch durchaus mit dem Epitheton „erhaben“ belegte (später änderte sich seine Sicht auf dieses Manifest und auf seinen Urheber), zu sehen, eingerahmt vom Kopf eines Varietékomikers und der Werbung eines Gummiabsatzerzeugers: Menschheit ist Kundschaft. Hinter Fahnen und Flammen, hinter Helden und Helfern, hinter allen Vaterländern ist ein Altar aufgerichtet, an dem die fromme Wissenschaft die Hände ringt: Gott schuf den Konsumenten! Aber Gott schuf den Konsumenten nicht, damit es ihm wohlergehe auf Erden, sondern zu einem Höheren: Damit es dem Händler wohlergehe auf Erden, denn der Konsument ist nackt erschaffen und wird erst, wenn er Kleider verkauft, ein Händler. Und sehr schnell ist Kraus dann bei der Presse, der Litfasssäule der modernen Zeit in hunderttausendfacher Vervielfältigung, deren Verhalten in den letzten Monaten er aufs Genaueste beobachtet hat. Die Presse ist nicht, wie allgemein gemutmaßt wird, ein Abdruck des Lebens, sondern das Leben ist nur ein Abdruck der Presse: Ist die Presse ein Bote? Nein: das Ereignis. Eine Rede? Nein, das Leben. Sie erhebt nicht nur den Anspruch, daß die wahren Ereignisse ihre Nachrichten über die Ereignisse seien, sie bewirkt auch diese unheimliche Identität, durch welche immer der Schein entsteht, daß Taten zuerst berichtet werden, ehe sie zu verrichten sind, oft auch die Möglichkeit davon, und jedenfalls der Zustand, daß zwar Kriegsberichterstatter nicht zuschauen dürfen, aber Krieger zu Berichterstattern werden. In diesem Sinne lasse ich mir gern nachsagen, daß ich mein Lebtag die Presse überschätzt habe. Sie ist kein Dienstmann – wie könnte ein Dienstmann auch so viel verlangen und bekommen –, sie ist das Ereignis. Wieder ist uns das Instrument über den Kopf gewachsen. Wir haben den Menschen, der die Feuersbrunst zu melden hat und der wohl die untergeordnete Rolle im Staat spielen müßte, über die Welt gesetzt, über den Brand und über das Haus, über die Tatsache und über unsere Phantasie. […] Dass Kraus der Presse eine erhebliche Mitschuld an diesem Ersten Weltkrieg, der für ihn der letzte und damit einzige war, gab, ist nicht verwunderlich. Die Presse hatte die Kriegsstimmung in den Jahren vor 1914 stimuliert, sie hatte den Kriegsausbruch als absolut notwendig und begrüßenswert dargestellt und damit auch die Begeisterung geschürt, mit der die Truppen (im Gegensatz zum Beginn des Zweiten Weltkrieges) in den Krieg zogen, unterstützt von einer weitgehend ebenso begeisterten (weil von der Presse manipulierten) Zivilbevölkerung, sie hatte das zunehmend vertraut, geradezu familiär werdende Kriegsgeschehen affirmierend und anheizend begleitet, sie hatte gleichzeitig als Platzhalterin von Annoncen und durch das Weitergeben von jubelnden Börsenberichten die wirtschaftliche Seite des Krieges zunächst befeuert, dann beschönigt, immer von ihr profitiert und sie hielt bei ihren Lesern bis in die Katastrophe hinein den Glauben aufrecht, dass alles gut ausgehen werde, alle Opfer gerechtfertigt seien und der Sieg greifbar nah sei. Und als dann im Jahr 1921 eine Annonce erschien, in der Schlachtfelder-Rundfahrten im Auto über die Leichenfelder um Verdun angepriesen wurden, speziell für die Abonnenten der BASLER NACHRICHTEN, da brach Kraus in einen Aufschrei aus […], die REKLAMEFAHRTEN ZUR HÖLLE, unter anderem mit der Frage, ob es nicht die Mission der Presse sei, zuerst die Menschheit und nachher die Überlebenden auf die Schlachtfelder zu führen, und ob diese Mission nicht in dieser Annonce in einer vorbildlichen Art vollendet sei. Und so wie Kraus der unverrückbaren Meinung war, dass ohne die Presse der Weltkrieg zumindest so nicht stattgefunden hätte, so war er auch später der Meinung, dass nicht der Nationalsozialismus die Presse abgeschafft habe, sondern die Presse den Nationalsozialismus erst erschaffen habe. Die Leitartikler, die mit Blut schrieben, die Schwätzer der Tat, hatten durch die Zerstörung aller geistigen Grundlagen, durch die Phrasenverklebung der Gehirne die Voraussetzungen geschaffen, den Ungeist erst heraufbeschworen und sind verantwortlich dafür zu machen, dass aus der Phrase die Tat erwuchs.
Der Text „Karl Kraus und die Presse“ ist ein gekürzter Auszug aus: Jens Malte Fischer: Karl Kraus: Der Widersprecher. Wien: Paul Zsolnay Verlag 2020, S. 250—258. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Jens Malte Fischer, geboren 1943 in Salzburg, studierte Germanistik, Geschichte und Musikwissenschaft sowie Gesang in Saarbrücken und München. Von 1982 bis 1988 war er Professor für Neuere Deutsche, Vergleichende und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Siegen und ab 1989 Professor für Theaterwissenschaft an der Universität München (im Ruhestand seit 2009). 1996/97 war er Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin. Er ist Ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur (Mainz). Jens Malte Fischer beschäftigt sich vornehmlich mit der Kultur der Jahrhundertwende um 1900, der Geschichte der deutsch-jüdischen Kultur und des Antisemitismus, der Geschichte und Analyse der Oper, der Geschichte des Films und der Geschichte des Sprechtheaters in den deutschsprachigen und romanischen Ländern seit dem 18. Jahrhundert. 2020 wurde ihm der Bayerische Buchpreis in der Kategorie Sachbuch für seine Biografie Karl Kraus: Der Widersprecher verliehen.
Ach, weil dieses Drama keinen anderen Helden hat als die Menschheit, so hat es auch keinen Hörer. Woran aber geht mein tragischer Held zugrunde? War die Ordnung der Welt stärker als seine Persönlichkeit? Nein, die Ordnung der Natur war stärker als die Ordnung der Welt. Er zerbricht an der Lüge […]. Er vergeht an einem Zustand, der als Rausch und Zwang zugleich auf ihn gewirkt hat.
Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit, Szene 5, 54
Wenn schon, dann rauscht die Menschheit mit Pauken und Trompeten in den Untergang. Zumindest, wenn es nach den traditionellen Apokalypsen geht. Die letzten Tage des Homo sapiens zeigen ihn vor allem als die Spezies, die alle Aufmerksamkeit, auch die göttliche, verdient. Realiter könnte die Menschheit auf unerträglich banale Weise verschwinden. Immerhin entging ihr das Sterben vieler Arten, inklusive einiger eng verwandter, über lange Zeit. Es steht Jahrmillionen zu ein paar Hunderttausend für die Ordnung der Natur gegen unsere Ordnung der Welt. Gerade steht nicht nur die Ordnung der Natur vor einem Wandel, an der wir als Lebewesen Anteil haben. Durch die ubiquitäre Technokratie mit ihrem Fortschrittsnarrativ gerät die Ordnung der Welt, auf der unsere Humanität basiert, ins Wanken. Diese greift sowohl auf unsere Körper zu, die sie mittels technischer und medizinischer Eingriffe zu kontrollieren sucht, als auch unsere Beziehungen zu allem anderen Lebendigen an, indem sie alles einem radikal hedonistischen und vorrangig utilitaristischen Blick unterwirft. Zwar lässt sich der Mensch in seiner Hominität fassen und bemessen, wird aber erst unter der kulturellen Perspektive der Humanität zu „mehr“ als einem simplen Exemplar der Spezies. Anstatt einer Dämonisierung setzten sich unter dem Eindruck der fortschreitenden Technokratisierung bereits im 20. Jahrhundert Philosoph:innen für eine Humanisierung der Technologie ein. Ginge es nicht eigentlich darum, dem technokratischen Dogma „Technik statt Ethik“ etwas Schlagkräftiges entgegensetzen zu können? Dieses Dogma, das uns glauben macht, dass die Menschheit Leid als nötiges Mittel zum Zweck der Erkenntnis und des Fortschritts akzeptieren müsste, sollte wieder radikal infrage gestellt werden können. Mittlerweile scheint sich selbst der kulturelle und geisteswissenschaftliche Betrieb dieser Aufgabe zu schämen und sich – im verzweifelten Ringen um Legitimität – lieber Kriterien der Messbarkeit und Funktionalität auszuliefern. Wissenschaftliche Erkenntnis und technische Machbarkeit entkoppelten sich immer stärker von ihrem Zweck. Statt der Humanität zu dienen, trügen sie zunehmend dazu bei, den Menschen in seiner Hominität zu fixieren. Eine der augenscheinlichsten Folgen dieses Prozesses ist der Siegeszug des Homo insipiens. Dieser törichte Mensch, der einst durch Bildung und Strafkultur aussterben sollte, scheint sich in den letzten Jahrzehnten evolutionär durchzusetzen. Mit seinen Postings, Likes und Reels greift er weit über die Grenzen seines virtuellen Reichs hinaus, ohne je direkte Konsequenzen befürchten zu müssen. Homo insipiens bleibt lieber tippend bei sich oder monologisiert eine Sprachnachricht, die andere – ohne Gefallen oder Missfallen spontan ausdrücken zu können – über sich ergehen lassen müssen.
Der Siegeszug des Homo insipiens, der Niedergang des Homo scribens
Kaum zu glauben, dass sich Karl Kraus über die sprachliche Sorglosigkeit seiner Zeitgenoss:innen echauffierte! Mehr als 100 Jahre später hätte er genug Gründe, schreitet sie doch unaufhörlich voran. Auffällig unauffällig wurden zuerst die handschriftlich gefertigten Schreiben weniger, die digitalen Meldungen kürzer – und der journalistische Beruf prekarisiert. Wenn schon Zeitungsredaktionen ihre eigenen Redakteur:innen und Journalist:innen für entbehrlicher halten als Programme wie ChatGPT, wer soll das Schreiben dann noch ernst nehmen? Der Homo scribens, der schreibende Mensch, hat sich zum Stichwörter klopfenden Zuarbeiter von Chatbots gewandelt, die Orthografie, Grammatik und Metaphern effizienter anwenden können, als der Großteil der Muttersprachler:innen. Das verhältnismäßig schwache Aufbäumen der analogen Schreibtischelite gegen die digitalen Riesen ist mehr als Eingeständnis ihrer fortschreitenden Resignation zu lesen: Homo scribens hat ausgedient. Es scheint, als hätte die Menschheit vergessen, wozu sie das gesprochene und das geschriebene Wort meistern wollte: um das Humane, um Humanität zu realisieren. Stattdessen haben die technische Maschinerie und marktwirtschaftliche Interessen den Sinn von Sprache auf den psychologischen Prozess des Reiz-Reaktions-Mechanismus reduziert. Der Algorithmus berechnet die für das Profil passende Zeichenfolge, die zur gewünschten Emotionalisierung und Mobilisierung führen soll. Übertriebene Sorgfalt als auch das Bemühen, die Dinge richtig und vor allem selbst zu formulieren, richtig zu schreiben und die Worte für das Ohr des anderen in Ordnung zu bringen, werden im Angesicht sogenannter „wichtigerer Dinge“ belächelt. Was aber, wenn diese zahllosen, kleinen Unachtsamkeiten im Denken, sich im Schriftlichen fortführten? Was, wenn eben diese Lässigkeit im Schriftlichen zu den unvorsichtig getippten und vertonten Gedanken führte, die uns allerorts tyrannisieren? Ja, schlimmer noch, wenn sich diese wiederum in dem fahrlässigen Verhalten und Handeln zeigten, mit dem wir uns weltweit konfrontiert sehen?
Ist Orthografie im Angesicht des Übels der Welt nicht völlig sinnlos?
Eine als lässlich eingeschätzte Unordentlichkeit kann Missverständnisse und damit Leid zeitigen. Die gleiche Anzahl an Zeichen führt nicht zwingend zum selben Ergebnis. „Tötet sie nicht, leben lassen!“ führt im Tatvollzug zu einer anderen Handlung als „Tötet sie, nicht leben lassen!“ Die Sprache ist ein Machtinstrument, dessen orthografische Magie nur für die geeignet ist, die die nötige Pingeligkeit aufbringen. Zeichen deuten und bedeuten die Ordnung unserer Welt. Wer das bezweifelt, der sei an die seit Jahrzehnten tobenden ideologischen Kämpfe erinnert, die in unseren Breiten um Zeichen wie Genderstern, Doppelpunkt und Binnen-I toben. Wenig überraschend wurde auch Karl Kraus wegen seiner Pedanterie kritisiert, der Zeichensetzung zu viel seiner Aufmerksamkeit zu schenken. So soll ihn Ernst Krenek 1932 gefragt haben, ob es im Angesicht des katastrophalen Beschusses von Shanghai durch die Japaner wirklich nichts Wichtigeres gäbe, als sich über den richtigen Beistrich den Kopf zu zerbrechen. Ist Orthografie im Angesicht des Übels der Welt nicht ein völlig sinnloses Unterfangen? Kraus’ Antwort: Ich weiß, dass das alles sinnlos ist, wenn das Haus in Brand steht. Aber solange das irgend möglich ist, muss ich das machen, denn hätten die Leute, die dazu verpflichtet sind, immer darauf geachtet, dass die Beistriche am richtigen Platz stehen, so würde Shanghai nicht brennen.
Der Text von Lisz Hirn ist als Originalbeitrag für die Salzburger Festspiele erschienen.
Bibliografische Angaben
Jens Malte Fischer: Karl Kraus: Der Widersprecher. München: dtv 2020. (Erstausgabe erschienen im Paul Zsolnay Verlag 2020.)
Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit, zitiert nach: https://www.projekt-gutenberg.org/kraus/letzttag/chap007.html, abgerufen am 26. Mai 2025
Lisz Hirn ist als Philosophin, Publizistin und Dozentin in der Jugend- und Erwachsenenbildung tätig sowie als freiberufliche Künstlerin an internationalen Kunstprojekten und Ausstellungen beteiligt. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen in der philosophischen Anthropologie, politischen Philosophie, interkulturellen Ethik und der philosophischen Praxis. Sie war u. a. als Gastlektorin an der Kathmandu University in Nepal tätig und hat an der Sophia University, der Nihon University in Tokio sowie an der Universidad Nacional Mayor de San Marcos in Lima und der University of Virginia in Charlottesville referiert. Außerdem unterrichtete sie 2015 an der École Supérieure Roi Fahd de Traduction in Tanger, Marokko. Von Oktober 2015 bis Januar 2017 war sie Fellow am Forschungsinstitut für Philosophie in Hannover, von Dezember 2018 bis Februar 2019 Residency Awardee am renommierten Adishakti Laboratory for Arts Research in Tamil Nadu, Indien. Seit 2014 lehrt sie am ULG Philosophische Praxis der Universität Wien und seit Herbst 2020 ist sie außerdem als Universitätslektorin am Institut für Architektur und Entwerfen (Forschungsbereich Wohnbau & Entwerfen) der TU Wien im Einsatz. Seit der Spielzeit 2024/25 kuratiert und moderiert sie das Gesprächsformat PHILOSOPHIEREN MIT HIRN GOES BURG am Burgtheater Wien.
1914
28. JUNI Der österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie, Herzogin von Hohenberg, werden in Sarajevo vom serbischen Nationalisten Gavrilo Princip erschossen.
23. JULI Österreich-Ungarn stellt Serbien ein Ultimatum. Inhalt: zehn Forderungen, die innerhalb von 48 Stunden vollständig akzeptiert werden sollen und die Serbiens Souveränität massiv einschränken.
28. JULI Da Serbien das Ultimatum nicht vollständig akzeptiert, erklärt Österreich-Ungarn Serbien den Krieg.
30. JULI Das russische Zarenreich reagiert auf die Kriegserklärung mit der Generalmobilmachung.
1. AUGUST Das mit Österreich-Ungarn verbündete Deutsche Kaiserreich erklärt Russland den Krieg.
3. AUGUST Deutschland erklärt Frankreich den Krieg und marschiert in Belgien ein.
4. AUGUST Großbritannien betritt die Kriegsbühne und erklärt Deutschland den Krieg.
5. SEPTEMBER Großbritannien, Frankreich und Russland vereinbaren im Londoner Vertrag Kriegsführung bis zum gemeinsamen Friedensschluss.
6. - 9. SEPTEMBER In der Schlacht an der Marne gelingt es Frankreich, den deutschen Vormarsch zu stoppen. Der Erste Weltkrieg wird zum Stellungskrieg.
2. NOVEMBER Das Osmanische Reich tritt – nach der Kriegserklärung Russlands – an der Seite der Mittelmächte (Österreich-Ungarn, Deutschland) in den Krieg ein.
1915
22. APRIL Deutsche Truppen setzen in der Ypern-Schlacht erstmals Giftgas ein.
26. APRIL Im Londoner Geheimvertrag der Entente (Russland, Frankreich, Großbritannien) mit Italien, dem territoriale Zugeständnisse gemacht werden, verpflichtet sich Italien zum Kriegseintritt gegen die Mittelmächte.
23. MAI Italien erklärt Österreich-Ungarn den Krieg.
23. JUNI Beginn der ersten von zwölf Isonzo-Schlachten zwischen Österreich-Ungarn und Italien.
1. JULI Beginn einer deutsch-österreichischen Großoffensive gegen Russland.
6. SEPTEMBER Bulgarien erklärt nach einem Bündnis mit Deutschland Serbien den Krieg.
19. SEPTEMBER Deutschlands Vormarsch im Osten kommt zum Erliegen.
9. OKTOBER Eroberung von Belgrad und Niederwerfung Serbiens durch deutsche und österreichische Truppen.
1916
21. FEBRUAR Beginn der deutschen Angriffe auf Verdun. Die Schlacht dauert bis Dezember und fordert über 300.000 Tote.
16. MAI London und Paris vereinbaren im Sykes-Picot-Abkommen die Aufteilung des Osmanischen Reichs.
27. MAI US-Präsident Woodrow Wilson proklamiert die Schaffung eines Völkerbundes.
27. AUGUST Rumänien tritt an der Seite der Entente in den Krieg ein.
SEPTEMBER Österreich-Ungarn stimmt der „Gemeinsamen Obersten Kriegsleitung“ unter der Führung Berlins zu.
21. NOVEMBER Tod von Kaiser Franz Joseph. Sein Großneffe steigt als Karl I. auf den Habsburger Thron.
1917
1. FEBRUAR Deutschland erklärt den uneingeschränkten U-Boot-Krieg.
14. MÄRZ Russlands Zar Nikolaus II. dankt im Zuge der Februar-Revolution ab.
6. APRIL Die USA erklären dem Deutschen Reich den Krieg, die Kriegserklärung an Österreich-Ungarn erfolgt acht Monate später.
27. JUNI Griechenland tritt an der Seite der Alliierten in den Krieg ein.
27. OKTOBER Truppen der Mittelmächte gelingt in der zwölften Isonzo-Schlacht der Durchbruch.
7. NOVEMBER Oktoberrevolution in Russland.
15. DEZEMBER Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Reich und Russland.
22. DEZEMBER Auftakt der Friedensverhandlungen zwischen Deutschland und Russland in Brest-Litowsk.
1918
8. JANUAR US-Präsident Wilson verkündet seine 14 Punkte für eine europäische Nachkriegsordnung.
9. FEBRUAR Deutschland schließt „Brotfrieden“ mit der Ukraine zur Sicherung der Getreideversorgung der Mittelmächte.
3. MÄRZ Durch die Wiederaufnahme der Kriegshandlungen erzwingt Berlin den Friedensschluss von Brest-Litowsk mit Russland.
7. MAI Friedensschluss zwischen Deutschland und Rumänien.
26. JUNI Scheitern der letzten österreichisch-ungarischen Offensive an der Piave-Mündung.
8. AUGUST Britischer Panzerangriff bei Amiens, der Rückzug der Deutschen an der Westfront beginnt.
14. SEPTEMBER Österreich-Ungarn regt bei US-Präsident Wilson den Friedensschluss an.
30. SEPTEMBER Bulgarien erklärt Waffenstillstand.
16. OKTOBER Kaiser Karl I. kündigt die Umgestaltung des Reiches in einen Bundesstaat an („Völkermanifest“).
28. OKTOBER Proklamation der Republik Tschechoslowakei.
29. OKTOBER Die südslawischen Völker erklären ihre Loslösung von Österreich-Ungarn.
31. OKTOBER Waffenstillstand zwischen der Entente und dem Osmanischen Reich.
1. NOVEMBER Bildung einer selbstständigen ungarischen Regierung.
3. NOVEMBER Unterzeichnung des Waffenstillstands der Alliierten mit Österreich-Ungarn in der Villa Giusti bei Padua.
9. NOVEMBER Kaiser Wilhelm verzichtet auf den deutschen Thron.
11. NOVEMBER Waffenstillstand zwischen den Alliierten und dem Deutschen Reich im französischen Compiègne.
12. NOVEMBER Proklamation der Republik Deutschösterreich, nach Verzichtserklärung von Kaiser Karl I. am Vortag.
Regie und Bühne: Dušan David Pařízek
